Es sieht düster aus für die Filderebene. Im Jahr 2100 wird hier klimatisch wenig sein, wie es einmal war. Das ist eine der Prognosen des Meteorologe Jürgen Baumüller aus Stuttgart-Heumaden.

Filder - Die Wälder auf der Filderebene könnten in ferner Zukunft zu noch beliebteren Aufenthaltsorten im Sommer werden. Ein Besuch in den Freibädern im Jahr 2100 – wenn es sie dann überhaupt noch gibt – könnte an vielen Tagen hingegen gefährlich sein. Denn der Sommer 2100 werde im günstigsten Fall so heiß wie der Sommer 2015 oder der Supersommer 2003. „Sommer wie 2015 und 2003 werden voraussichtlich Ende des Jahrhunderts Durchschnitt“, sagte Professor Jürgen Baumüller . „Ein außergewöhnlich heißer Sommer würde an Hitzetagen die 40-Grad-Marke deutlich überschreiten.“

 

Der Meteorologe Baumüller, der in Heumaden lebt, kommt von den Szenarien, die dem Stuttgarter Kessel und dessen Umland klimatisch drohen könnten, nicht los. Bis 2008 arbeitete er 30 Jahren lang als Klimatologe für die Stadt. Heute erklärt er bei öffentlichen Veranstaltungen, was die Wissenschaft für die kommenden 100 Jahre erwartet. Um es auf den Punkt zu bringen: Es ist nichts Gutes. Eine Erwärmung des Weltklimas um 4,5 Grad bis Ende des 21. Jahrhunderts wird aus Sicht des Klimatologen immer wahrscheinlicher. Eine Politik der Anpassung an den Klimawandel werde deshalb gerade für Städte wie Stuttgart immer wichtiger, sagt Baumüller. „Städte sind ohnehin wärmer. Sie werden deshalb bei Hitzewellen auch stärker leiden.“ Dabei gehe es nicht um Unannehmlichkeiten wie schlaflose Tropennächte, betont Baumüller. „2003 gab es Tausende Hitzetote. Das könnte normal werden“, sagt er.

Hitze staut sich im Kessel

Für die Bewohner der Filderebene sagt Baumüller allerdings voraus, dass sie in Zukunft im buchstäblichen Sinn aufatmen könnten. Die Hitze werde sich dann im Stuttgarter Kessel stauen, während das Umland durch zirkulierende Luft gekühlt werden wird. Diese Luft ist dichter und sinkt deshalb herab. Eine Brise werde deshalb wohl auch 2100 von der Filderebene in den Talkessel sinken.

Der Meteorologe aus Heumaden klickt sich, während er erzählt, an seinem Laptop durch eine Powerpointpräsentation, die er für Veranstaltungen verwendet. Wie im Zeitraffer tauchen auf dem Monitor Bilder von den Fluten auf, in denen die Gemeinde Braunsbach im vergangenen Frühjahr versank. Unwetter oder Überschwemmungen würden sich laut Baumüller neben der Hitze zum größten Problem entwickeln. Hinzukomme die Trockenheit.

Regen wird knapp

Für das Filderkraut könnte das eine schlechte Nachricht sein. „Pflanzen brauchen Wasser“, meint Jürgen Baumüller. Den bekämen sie in den Sommern der Zukunft entweder in Form von Starkregen – oder häufig gar nicht mehr. Welche Folgen die Trockenheit für die landwirtschaftlichen Betriebe auf der Filderebene habe, darüber traut sich der Klimatologe Jürgen Baumüller keine Prognose zu.

Immerhin sei die Wasserversorgung Stuttgarts relativ gesichert, da eine Austrocknung des Bodensees von den Experten bisher nicht erwartet werde. „Beim Wein wissen wir aber, dass ganz andere Sorten angepflanzt werden müssen“, sagt er. An Degerlocher Hängen könnten also im Jahr 2100 Rebensorten wachsen, die heute in Südspanien gedeihen. „Riesling wird es dann nur noch an der Ostsee geben“, sagt Baumüller. Er setzt darauf, dass die Städteplaner einiges tun können, um die vermehrten Hitzewellen zumindest erträglicher zu machen. Vereinfacht lässt sich sagen: Je grüner eine Stadt, desto schattiger ist sie. Große Grünflächen wie der Eichenhain in Sillenbuch werden deshalb künftig nicht nur als Erholungsgebiet dienen, sondern auch als Kälteinsel, in der Menschen Schatten vorfinden.

Heißer, unberechenbarer und gefährlicher werde das Klima aber in jedem Fall, ist sich Baumüller sicher. „Mich wundert es ein bisschen, dass zu meinen Vorträgen selten jüngere Besucher kommen“, sagt er. „Sie werden das alles ja erleben.“