Wälder nehmen verschiedene Mengen an Kohlenstoffdioxid auf – abhängig von der Art des Waldes. Den Menschen gleichen sie bei Weitem nicht aus.

Stuttgart - Wissenschaftler bestätigen den ersten Eindruck, den Besucher zwischen den Bäumen gewinnen: Ein Buchenwald mitten in Europa, ein Regenwald im Amazonasbecken Südamerikas und ein Urwald in einer Region mit viel weniger Niederschlag auf dem gleichen Kontinent unterscheiden sich stark voneinander. Nicht nur leben dort andere Tiere unter anderen Bäumen, diese Wälder beeinflussen auch das Klima der Region sehr unterschiedlich. So treiben die in Europa viele Jahrzehnte sehr beliebten Fichtenwälder die Temperaturen im Vergleich mit einem Buchen-Mischwald weiter nach oben. Wächst dagegen auf einer inzwischen aufgelassenen Rinder-Weide, die einst in den Amazonas-Regenwald geschlagen wurde, ein Wald aus zweiter Hand, kann dieser jedes Jahr bis zu elfmal mehr Kohlendioxid aus der Luft holen als der intakte Urwald in der Nachbarschaft.

 

Werfen also die Vertreter eines Landes bei Klimaverhandlungen den Einfluss ihrer Forstpolitik nach dem Motto „wir produzieren zwar große Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid, unsere Wälder holen aber auch viel davon wieder zurück“ in die Waagschale, lohnt ein genauer Blick hinter die Kulissen. Genau das tun jetzt gleich drei Forscher-Teams mit recht unterschiedlichen Ansätzen. Kim Naudts vom Laboratoire des Sciences du Climat et de l’Environnement (LSCE) in Paris und vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg hat dabei mit ihren Kollegen die Wälder Europas zwischen den Küsten am Atlantik und der russischen Grenze im Magazin „Science“ unter die Lupe genommen.

Bisher hatten Klimaforscher ihr Augenmerk vor allem auf die Waldfläche gerichtet, die sich seit 1750 erheblich verändert hat. Damals war Holz nicht nur ein unersetzlicher Rohstoff für Gebäude und Möbel, sondern auch das wichtigste Brennmaterial zum Kochen und Heizen, sowie für Handwerker. Obendrein brauchte die wachsende Bevölkerung für ihre Ernährung mehr Ackerflächen. Um diese Bedürfnisse zu erfüllen, verlor Europa in den ersten hundert Jahren dieses Zeitraums mit 190 000 Quadratkilometern eine Waldfläche von mehr als der halben Größe Deutschlands.

Tropfen auf den heißen Stein

Ab 1850 ersetzten dann zunächst Kohle und später auch Erdöl und Erdgas Holz als Energieträger, auch als Bauelement nahm die Bedeutung von Holz ab. Obendrein steigerten Kunstdünger und Pestizide die Erträge. Daher ging die Entwaldung kräftig zurück, und nach einiger Zeit kehrte der Trend sich um, in Europa wurde wieder aufgeforstet. Seit 1850 kamen so in Europa 386 000 Quadratkilometer neuer Wald dazu, eine Fläche von der Größe Deutschlands und Belgiens wurde aufgeforstet.

Diese zusätzlichen Wälder speichern in ihrem Holz riesige Mengen Kohlenstoff, den sie aus dem Treibhausgas Kohlendioxid in der Luft gewinnen. Wälder wirken so als „Kohlenstoffsenke“, genau auf diesem Effekt berufen sich Länder mit viel Wald auf Klimakonferenzen gern. Insgesamt hat die Zunahme der Waldfläche in Europa seit 1750 immerhin 0,7 Milliarden Tonnen Kohlenstoff aus der Luft geholt, rechnen Kim Naudts und ihre Kollegen aus. In der Gesamtbilanz ist das allerdings eher ein Tropfen auf den heißen Stein. Insgesamt hat die Menschheit bisher rund 247 Milliarden Tonnen Kohlenstoff in Form von Kohlendioxid in die Luft geblasen, berichten die Forscher. Die Kohlenstoffsenke europäische Aufforstung hat daher gerade einmal 0,3 Prozent dieser Menge wieder aus der Atmosphäre gefischt.

Weil sich seit 1750 nicht nur die Fläche der europäischen Wälder sondern auch deren Struktur grundlegend geändert hat, ist diese Kohlenstoffsenke obendrein nur ein Teil der Klimawirkung der Wälder. So vervierfachte sich seither die Bevölkerung von 140 auf 580 Millionen Menschen im Jahr 2010. Um alle mit Holz zu versorgen, wurde nicht nur die Forstwirtschaft intensiviert. Gleichzeitig pflanzten die Förster vermehrt Nadelbäume wie Fichten, die erheblich schneller wachsen und so auf der gleichen Fläche mehr Holz als Buchen und Eichen liefern. Dadurch nahmen Nadelwälder 633 000 Quadratkilometer mehr Fläche ein, das entspricht immerhin dem Staatsgebiet von Frankreich. Gleichzeitig nahmen die Laubwälder um 436 000 Quadratkilometer ab. Das entspricht ungefähr der gemeinsamen Landesfläche von Österreich und Deutschland.

Nadelwälder nehmen Sonnenstrahlen effektiver auf

Diese Veränderung wiederum beeinflusst das Klima ebenfalls. So nehmen Nadelwälder Sonnenstrahlen deutlich effektiver als Laubbäume auf und halten so mehr Sonnenenergie auf der Erde, zeigt Juliane Otto vom LSCE und vom Climate Service Center Germany in Hamburg gemeinsam mit Kim Naudts und deren Kollegen. Gleichzeitig verdunstet aus Fichtennadeln deutlich weniger Wasser als aus Buchen- oder Eichenblättern. „Über Nadelwäldern wird so die Luft ein wenig trockener und kann Wärme ein wenig schlechter abstrahlen“, erklärt Kim Naudts. Insgesamt stieg dadurch die Temperatur in den unteren Schichten der Atmosphäre im Sommer über Europa um rund ein Zehntel Grad Celsius an. Das ist zwar wenig im Vergleich mit den 1,71 Grad Sommertemperatur-Erhöhung durch die zusätzlich in die Luft geblasenen Treibhausgase, übertrifft aber die Kohlenstoff-Senke-Wirkung deutlich.

Die Wirkung auf das Klima hängt also sehr stark von der Art eines Waldes ab. Das zeigt auch eine Studie, die Lourens Poorter von der Universität im niederländischen Wageningen und seine Kollegen im Magazin „Nature“ schildern. Die Forscher haben in 45 Regionen Süd- und Zentralamerikas untersucht, wie gut natürliche Urwälder und sogenannte „Sekundärwälder“, die auf zwischenzeitlich gerodeten und zum Beispiel als Rinderweiden genutzten Urwald-Flächen wachsen, als Kohlenstoff-Senken wirken. Bei der dort üblichen Brandrodung hatten diese Flächen riesige Mengen Kohlendioxid freigesetzt, die vorher im Holz ihrer Bäume steckten. Diese Biomasse regenerieren die Sekundärwälder wieder und beeilen sich damit sehr: Im Durchschnitt nehmen sie jährlich elfmal mehr Kohlenstoff als Urwälder auf. Trotzdem dauert es 66 Jahre, bis sie 90 Prozent der ursprünglichen Biomasse wieder gewonnen haben.

Solche Zahlen zeigen nicht nur, welche riesigen Mengen an Kohlendioxid bei der ursprünglichen Brandrodung in die Luft geblasen werden. Sie demonstrieren auch, dass Aufforstungen auf solchen Kahlschlägen erhebliche Mengen dieses Kohlendioxids wieder zurückholen können. Allerdings gilt das nur für die Regionen mit reichlich Regen. In den trockenen Gebieten erholen sich die Wälder dagegen viel langsamer. Dort sollten die letzten noch vorhandenen Urwälder daher besonders streng geschützt werden, folgern die Forscher. Die feuchteren Regionen wiederum eignen sich besonders für Wiederaufforstungsprogramme.