Klinik Sindelfingen Gebt dem Gesundheitssystem Luft zum Atmen!
Dass Kliniken massiv einsparen und Ärzte ständig über ihre Belastungsgrenze hinaus gehen, sollte nicht hingenommen werden, meint unser Redakteur Martin Dudenhöffer.
Dass Kliniken massiv einsparen und Ärzte ständig über ihre Belastungsgrenze hinaus gehen, sollte nicht hingenommen werden, meint unser Redakteur Martin Dudenhöffer.
Dass der Klinikverbund – den Geschäftsführer Alexander Schmidtke mit einem Luxusliner vergleicht – wegen der geplanten Umstrukturierungen der medizinischen Leistungen und des gewaltigen Millionendefizits bildlich gesprochen seit Jahren auf rauer See unterwegs ist, ist bekannt. Nun sickerte durch Hinweisgeber aus dem ärztlichen Bereich die Erkenntnis an die Oberfläche, dass einige Mediziner die Lage teilweise für so besorgniserregend halten, dass sie in unserer Zeitung Alarm schlagen.
Die Ärzte arbeite(te)n in unterschiedlichen Abteilungen des Sindelfinger Klinikums. Sie berichten von einer durch Spardruck und veränderter Prioritätensetzung überbordenden Arbeitsbelastung. Nicht wenige Ärzte seien dadurch schon selbst zu Patienten geworden. Sie bemängeln außerdem eine aus ihrer Sicht mangelnde Dialogbereitschaft und einen fehlenden Willen, für verbesserte Arbeitsbedingungen zu sorgen. Besonders in der Kritik: die Verantwortlichen im Klinikverbund Südwest.
Am Ende steht allein in einer Abteilung, der Hämatologie/Onkologie, eine Handvoll top ausgebildete Mediziner, die das Klinikum verlässt oder bereits verlassen hat. Auch wenn die meisten Stellen wieder besetzt werden können und Fluktuationen in Unternehmen an der Tagesordnung sind: Die von unserer Zeitung recherchierte Geschichte ist für das schwankende Schiff Klinikverbund ein weiterer Schuss vor den Bug – sucht der Verbund doch händeringend nach medizinischem Fachpersonal, um solche Situationen zu vermeiden.
Neben all der nachvollziehbaren Kritik aus dem ärztlichen „Off“ muss dennoch festgestellt werden, dass einige der Probleme, unter denen auch das Sindelfinger Klinikum leidet, nicht hausgemacht sind. Sie sind das Produkt jahrelanger Gesundheitspolitik, die aus Krankenhäusern profitable Wirtschaftsunternehmen machen sollte. Es gleicht einer Herkulesaufgabe, die Geschäftsführer Schmidtke zu vollbringen hat: Die Klinikfinanzen in Ordnung zu bringen, Gelder der öffentlichen Hand möglichst kleinzuhalten, den Neubau des geplanten Flugfeldklinikums zu managen, die Standortumstrukturierungen umzusetzen und nicht zuletzt auch für annehmbare Arbeitsbedingungen an den sechs Klinikstandorten zu sorgen. Aber: Der Klinikverbund ist kein Ein-Mann-Betrieb. Führungsverantwortung trägt nicht nur der Geschäftsführer.
Ein Krankenhaus ist aber mehr als ein Wirtschaftsunternehmen. Offenbar gerät bei politischen Verantwortlichen zu oft in Vergessenheit, dass ein Gesundheitswesen keine Rendite abwerfen müssen sollte. Dass dort Menschen arbeiten oder sich als Patienten behandeln lassen müssen und es täglich um hochemotionale Fragen von Leben und Tod geht. Ein System, das nur auf Wirtschaftlichkeit oder gar Profitmaximierung schielt, schafft nur Verlierer. Ärzte, die überlastet sind, weil sie Arbeit für drei machen müssen. Und Patienten, die mehr Zeit mit dem Warten auf die Behandlung verbringen als mit der Therapie selbst oder denen nicht adäquat geholfen werden kann, sind nichts, was wir in diesem reichen Land akzeptieren sollten.
Letztlich müssen wir uns und vor allem die Politik fragen: Was darf uns einer der wichtigsten Teile der Daseinsvorsorge – ein funktionierendes Klinikwesen – kosten? So wie wir uns alle wünschen, dass das Schwimmbad im eigenen Ort bestehen bleibt, damit unsere Kinder schwimmen lernen, sollte auch ein Klinikum als Anlaufstelle bei geplanten Eingriffen und Notfällen nicht wegen wirtschaftlicher Überlegungen zum Sorgenkind werden. Die Zustände in Sindelfingen führen uns die Bedeutung dieser Frage deutlich vor Augen.