Notaufnahmen arbeiten ohnehin oft am Limit. Die Vielzahl an Flüchtlingen bringt sie nun an die Grenzen der Belastbarkeit. Sprachbarrieren sorgen zusätzlich für Probleme.

Mannheim - Vahid hat das Gesicht vor Schmerzen verzogen. Seit Tagen geht es dem 24-jährigen Iraner schon schlecht, jetzt liegt er in der Notaufnahme des Uniklinikums Mannheim, umringt von Ärzten und Pflegern, die ihn nicht verstehen. Denn Vahid spricht weder Deutsch noch Englisch. Kein seltenes Problem im Klinikum, in dem viele der über 10 000 Flüchtlinge aus den Erstaufnahmeeinrichtungen Mannheims behandelt werden. Und bei weitem nicht das größte.

 

Die gestiegene Zahl der Flüchtlinge in der Notaufnahme sei eine enorme Herausforderung, sagt Leiter Joachim Grüttner. Im Schnitt kommen pro Tag 15 bis 25 Patienten aus den Erstaufnahmeeinrichtungen - zusätzlich zu den 100 bis 200 Patienten, die die Notaufnahme ohnehin täglich behandeln muss und die sie voll auslasten. „Wir sind am Rande unserer Arbeitsfähigkeit“, berichtet der Arzt. Sollten jetzt noch Dutzende Patienten hinzukommen - etwa durch eine große Grippewelle - „könnten wir nicht mehr handeln“.

Auch das Heidelberger Klinikum berichtet von einem großen Andrang. Allein im dritten Quartal seien fast 1300 Flüchtlinge aus dem Patrick-Henry-Village (PHV) und anderen Heidelberger Unterkünften in den Ambulanzen behandelt worden, sagt eine Sprecherin. Die Zahl habe sich im Vergleich zum ersten Quartal etwa verdoppelt.

Schwierige Zusammenarbeit

Dennoch schätzt die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft die Lage nicht sehr problematisch ein. „Die Wartezimmer der Notaufnahmen waren anfangs voller Flüchtlinge. Doch das hat sich inzwischen gebessert“, sagt Sprecherin Annette Baumer. Sie verweist darauf, dass in vielen größeren Flüchtlingsunterkünften mittlerweile niedergelassene Ärzte arbeiten.

„Eine Grundversorgung vor Ort gibt es schon, nur reicht die nicht aus“, berichtet Grüttler. Der pflegerische Leiter der Notaufnahme, Peter Brüstle, beklagt die unzureichende Zusammenarbeit zwischen Ärzten in den Flüchtlingsunterkünften und der Klinik. Die Patienten würden zwar meist von einem Arzt in die Notaufnahme geschickt, doch es gebe kein Begleitschreiben. „Wegen der Sprachprobleme brauchen wir oft längere Zeit, um herauszufinden, worum es eigentlich geht“, sagt er - Zeit, die man in der Notaufnahme meist nicht hat.

Nach Angaben von Baumer sind Sprachbarrieren tatsächlich eine große Herausforderung. Doch der Vorteil vieler Krankenhäuser sei, dass sie eine „bunte Belegschaft“ hätten, sagt sie. Meist könne die sich mit Listen behelfen, auf denen stehe, welcher Mitarbeiter welche Fremdsprache beherrsche. Solche Listen gibt es auch in Mannheim. „Doch bei den Mitarbeitern mit passenden Sprachkenntnissen ist es Zufall, ob sie gerade im Haus sind“, sagt Grüttner. Meist kommen die Flüchtlinge abends oder nachts in die Notaufnahme, in dünn besetzten Randschichten also, und die Listen sind kaum nützlich.

Im Notfall Pantomime

Manchmal haben die Ärzte Glück und ein anderer Flüchtling begleitet den Patienten und dolmetscht. So wie bei Vahid. Er wird vom Iraner Ardalan begleitet, der gut Englisch spricht. So können die Ärzte genau nachfragen, wie sich seine Schmerzen anfühlen. Ist kein Dolmetscher da, weichen sie auf Tafeln aus, auf denen Begriffe auf Deutsch und beispielsweise Arabisch aufgeführt sind. Patienten können ankreuzen, ob ihre Schmerzen stechend, brennend oder ziehend sind. Manchmal behelfen sich die Ärzte auch mit Pantomime - „Bitte tief einatmen“ lässt sich auch ohne Worte verstehen.

Mit kulturellen Unterschieden gibt es laut Grüttler nur selten Probleme. „Die meisten Flüchtlinge sind einfach nur dankbar, dass ihnen geholfen wird“, meint er. Brüstle hingegen berichtet von einer jungen Patientin, die partout nicht mit ihm sprechen wollte. Und von aufgeregten Großfamilien, die plötzlich in der Notaufnahme stehen. „Dann müssen wir erstmal sortieren: Wer ist krank und wer ist nur mitgekommen?“, sagt Brüstle mit einem Augenzwinkern. An solche Dinge sind er und sein Pflegerteam aber längst gewöhnt - fast jeder zweite Einwohner von Mannheim hat einen sogenannten Migrationshintergrund.

Was den Kliniken in Einzelfällen Schwierigkeiten bereite, sei die Abrechnung der Behandlung, sagt Baumer. Für nicht registrierte Flüchtlinge etwa fühle sich das Land nicht zuständig. Dann sei es aufwändig, die Kostenübernahme zu klären. „Es läuft nicht alles wunderbar“, bestätigt ein Sprecher des Mannheimer Klinikums. Wenn ein Flüchtling keinen Behandlungsschein habe, werde er im Notfall natürlich trotzdem behandelt. Nur könne es dann passieren, dass das Klinikum auf den Kosten sitzenbleibe. „Und auf Basis von Nächstenliebe kann man keine Mitarbeiter bezahlen.“