Immer mehr Stuttgarter Krankenhäuser führen Armbänder für ihre Patienten ein, um die Sicherheit zu erhöhen. Die Resonanz ist positiv.

Stuttgart - Wer kennt sie nicht, die Geschichten vom falschen Bein, das operiert wurde, weil der Patient auf dem OP-Tisch verwechselt worden ist. Ein solcher Fall ist der Albtraum jedes Kranken, jedes Arztes und jedes Krankenhauschefs. Alle Kliniken suchen deshalb nach Wegen, solch fatale Fehler auszuschließen. Mit dem Diakonie-Klinikum und dem Bethesda-Krankenhaus haben sich jetzt zwei Häuser in Stuttgart dazu entschlossen, den Patienten schon bei der Aufnahme Armbänder umzulegen, um die Sicherheit zu erhöhen, andere wie das städtische Klinikum und das Marienhospital denken darüber nach. „Ein Patient hat im Krankenhaus mit vielen Berufsgruppen zu tun, da ist die Verwechslungsgefahr immer gegeben“, sagt Stephan Schmidt, der Qualitätsmanager im Diakonie-Klinikum.

 

„Wir zwingen niemanden“

Dort bekommt seit der vergangenen Woche jeder Patient ein Armband umgelegt, vorausgesetzt, er ist einverstanden. Darauf vermerkt sind Name und Geburtsdatum sowie eine Nummer. „Wir zwingen niemanden“, erklärt Schmidt, der von der Neuerung überzeugt ist. Es gebe in jedem Krankenhaus Situationen, wo eine klare Identifikation schwierig sei. „Wir haben zusehends demente Patienten, die sich schon mal in ein falsches Bett legen.“ Kritisch seien auch die Minuten vor jeder Operation, wenn der Patient bereits ein Beruhigungsmittel genommen habe und nur noch bedingt ansprechbar sei. „Das ist aber die Situation, in der der Anästhesist noch einmal prüfen muss, ob er den richtigen Patienten vor sich hat“, so Schmidt.

Hohe Akzeptanz bei den Patienten

Auch das Bethesda-Krankenhaus mit seinem Zentrum für Altersmedizin, auf dessen beiden Stationen der Altersdurchschnitt bei 88 Jahren liegt, wird im Herbst die Patientenbänder einführen. „Wir haben einen hohen Anteil an dementen und verwirrten Menschen, da ist eine solche Absicherung wichtig“, sagt der dortige Qualitätsmanager Michael Scheufele. In anderen Häusern des Agaplesion-Verbundes habe sich zudem gezeigt, dass die Akzeptanz bei den Patienten hoch sei. „Gerade zwei bis drei Prozent lehnen ein Band ab“, berichtet Scheufele. Positive Erfahrungen mit dem Armband haben auch die Sana-Herzchirurgie und das Karl-Olga-Krankenhaus, wo bereits seit 2009 alle chirurgischen Patienten ihren Namen angehängt bekommen. Ähnlich verfährt das Robert-Bosch-Krankenhaus, das im operativen Bereich und damit bei etwa 50 Prozent der Patienten ein Armband einsetzt.

In Markgröningen gibt’s ein Band mit Barcode

Die Orthopädische Klinik Markgröningen im Landkreis Ludwigsburg arbeitet seit Sommer 2010 mit den reißfesten Armbändern. „Es ist noch nie vorgekommen, dass ein Patient aus Datenschutzgründen das Armband abgelehnt hat“, versichert der Pflegedirektor Johann Bernhardt. In Markgröningen wird das Band, das einen Barcode enthält, auch bei der Blutzuckermessung eingesetzt. Beim Blutzuckergerät wird der Name eingescannt, die gemessenen Daten werden online in die elektronische Patientenakte übermittelt. „Dann können wir sicher sein, dass die Zuordnung stimmt“, sagt Bernhardt. Theoretisch könnten über den Strichcode auf dem Band sehr viel mehr Informationen über den Patienten gespeichert werden, beispielsweise die Implantatnummer bei der Einsetzung eines künstlichen Gelenks: „Das aber wollen wir nicht, die Patienten sollen nicht das Gefühl haben, ständig abgescannt zu werden.“

Aktionsbündnis Patientensicherheit überzeugt

Es sind gerade diese technischen Möglichkeiten, die Skepsis auslösen können, wie Annette Baumer von der baden-württembergischen Krankenhausgesellschaft anmerkt. „Ein erwachsener Mensch kann sich durchaus in seinen Persönlichkeitsrechten beeinträchtigt fühlen.“ Deshalb sei offen, ob sich die Armbänder flächendeckend durchsetzen werden. Noch seien es in Baden-Württemberg wenige Häuser, die das System eingeführt haben. „Zu beobachten ist aber, dass alle Kliniken dabei sind, eine andere Fehlerkultur zu etablieren.“ Standard seien etwa Checklisten in den OP-Sälen, die von Ärzten abgezeichnet werden müssen und die ebenfalls sicherstellen sollen, dass der richtige Patient mit der richtigen Diagnose auf dem OP-Tisch liegt. Von dem renommierten Aktionsbündnis Patientensicherheit werden nicht nur die Checklisten, sondern auch die Armbänder empfohlen. Für den Qualitätsmanager Schmidt ist auch das ein Grund, warum die Armbänder in seinem Haus eingeführt wurden. „Im Haftungsfall muss sich jedes Haus die Frage gefallen lassen, warum habt ihr die Empfehlungen nicht umgesetzt.“

Patienten stehen der Neuerung positiv gegenüber

Über eine Einführung denken deshalb auch das städtische Klinikum und das Marienhospital nach. Im Marienhospital wurden nach einem Testlauf Mitarbeiter und Patienten befragt. Das Ergebnis war überraschend: „Während bei den Mitarbeitern die Sorge war, auf diese Weise einen gläsernen Patienten zu schaffen, standen die Patienten der Neuerung positiv gegenüber“, sagt Sprecherin Christine Unrath.