Klinikum Bietigheim Kritik an Palliativstation-Schließung

Bei der einfühlsamen Begleitung schwerstkranker Menschen leisten Palliativstationen und Hospizgruppen wertvolle Arbeit. Foto: picture alliance/dpa/Daniel Reinhardt

Die Abteilungen sollen dabei helfen, dass der letzte Lebensweg für Menschen so angenehm wie möglich ist. Eine hat jetzt zugemacht, die Hospizgruppen sind verärgert.

Digital Desk: Lotta Wellnitz (loz)

Bietigheim-Bissingen - Es ist noch viel zu tun, damit der Tod normal wird und zum Leben gehört“, sagt Anita Ereth, Leiterin der Hospizgruppe der Sozialstation Bönnigheim e. V. Das Thema sei ihr wichtig, man müsse die Menschen dafür sensibilisieren, so die 61-Jährige. Deswegen war sie sehr enttäuscht, als die Palliativstation im Krankenhaus Bietigheim-Vaihingen zum 1. April geschlossen wurde – wie sie sagt ohne Information der Öffentlichkeit. Zusammen mit den Hospizgruppen aus Besigheim, Bönnigheim-Erligheim-Kirchheim, Pleidelsheim, Schwieberdingen sowie Vaihingen/Enz hat sie deshalb jetzt einen offenen Brief an Professor Jörg Martin, den Geschäftsführer der RKH-Kliniken, zu denen auch das Krankenhaus Bietigheim-Vaihingen gehört, geschrieben.

 

Auf einer Palliativstation werden Menschen behandelt, die unheilbar krank sind und deren Erkrankung besonders weit fortgeschritten ist. Ziel der separaten Abteilung eines Krankenhauses ist nicht, Menschen zu heilen, sondern ihren letzten Lebensabschnitt so angenehm wie möglich zu gestalten. Geschulte Pflegekräfte, Therapeuten und Ärzte helfen dabei, Krankheitssymptome zu lindern und die Patienten, aber auch deren Angehörige, auf den nahenden Tod vorzubereiten. Ein Aufenthalt auf einer solchen Station ist zeitlich begrenzt. Patienten sollen so weit stabilisiert werden, dass sie nach Hause, in ein stationäres Hospiz oder Pflegeheim entlassen werden können. „Viele von ihnen versterben auch auf der Palliativstation“, heißt es im offenen Brief.

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Im Klinikum Bietigheim-Vaihingen wurde diese Abteilung vor mehr als zehn Jahren eingerichtet. Sie bot laut offenem Brief Platz für bis zu neun Menschen. Dass sie im April geschlossen wurde, hat laut RKH-Sprecher Alexander Tsongas zwei Gründe. So hätten sich die Wünsche der Patienten verändert. „Immer mehr sagen, sie wollen ihre letzten Tage zu Hause im familiären Umfeld verbringen.“ Am Ende seien in Bietigheim viele Betten leer geblieben, sagt er. Außerdem gebe es die Spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV), die im Kreis Ludwigsburg vor Kurzem ihr zehnjähriges Jubiläum feierte. Sie ist ein Angebot, bei dem die Kliniken etwa mit Hausärzten, Pflegediensten, Palliativstationen und Hospizen zusammenarbeiten. Fachkräfte besuchen, behandeln und betreuen Patienten zu Hause. In den meisten Fällen sind deren Erkrankungen bereits weit fortgeschritten, die Symptome besonders ausgeprägt und eine zusätzliche Versorgung essenziell. Mithilfe der SAPV sollen die Patienten ein würdevolles Leben bis zum Ende im vertrauten Umfeld führen können. 2012, im ersten Jahr nach der Gründung der SAPV in Ludwigsburg, wurden so zwischen 220 und 250 Menschen begleitet, in diesem Jahr seien es schon jetzt mehr als 450, so Kliniksprecher Tsongas.

Der zweite Grund für die Schließung in Bietigheim war ihm zufolge die weitere Spezialisierung der anderen Klinikstationen wie Onkologie, Gastroenterologie oder Neurologie. Palliativpatienten könnten dort nun immer besser betreut werden. 2020 waren das im Klinikum Bietigheim 269 Menschen. Seit dem 1. April gebe es auch ein konsiliarisches Palliativteam aus Pflegekräften, Therapeuten und Ärzten. Das könne auf jeder Station eingesetzt werden und Menschen dort versorgen, so Tsongas. Das sei gut, heißt es im offenen Brief der Hospizgruppen. Allerdings müssten Patienten auch „Ruhe finden, ihre Diagnose wahrzunehmen und zu überlegen, wie es weitergeht“. Das sei in einem Dreibettzimmer schwer. Auf einer Palliativstation ginge das, Räume, Farben, alles würde Positivität ausstrahlen, sagt Anita Ereth.

Unterschiedliche Ansichten über Kommunikation von Stations-Aus

Im Ludwigsburger Klinikum gibt es so eine Station noch. Vor Kurzem wurde sie von neun auf zwölf Betten aufgestockt. Das seien insgesamt immer noch vier bis sechs weniger im Landkreis, heißt es im offenen Brief. Dazu komme der lange Anfahrtsweg für Menschen, die im nördlichen Landkreis wohnen. Auch sie müssten Angehörige besuchen können, weswegen ortsnahe Angebote erhalten und die Bietigheimer Station wieder geöffnet werden sollten, heißt es weiter – zumal die Nachfrage nach solchen Angeboten zukünftig weiter steigen werde.

Eine Wiedereröffnung werde aus den genannten Gründen nicht möglich sein, erklärt Kliniksprecher Tsongas. Die Schließung sei im Übrigen mit den verschiedenen Hospizgruppen abgesprochen gewesen. Im offenen Brief wird moniert, sie habe „unter Ausschluss der Öffentlichkeit“ stattgefunden.

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Auch wenn es beim Aus der Station bleiben sollte: Für Mitinitiatorin Anita Ereth war der offene Brief dennoch wichtig. Das Thema Palliativmedizin und -pflege müsse in der Mitte der Gesellschaft ankommen, denn früher oder später gehe es wohl jeden etwas an, sagt die 61-Jährige. Auch appelliert sie an die Kliniken. Ihr Wunsch: eine bessere Kommunikation mit der Öffentlichkeit.

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