Seit Kurzem unterstützt der Kleinpudel Milo die Arbeit mit psychisch belasteten Patienten am Klinikum Esslingen. Der Einsatz des Vierbeiners soll eine unterstützende Wirkung auf Selbstwertproblematik, Aggressionspotenzial, Antrieb und Emotionen haben.

Esslingen - Milo hat quasi als Berufsausbildung ein halbjähriges Curriculum durchlaufen, seine berufliche Eignung ist zweifelsfrei in einem Zertifikat samt Urkunde festgehalten. Milo hat auch seit bald einem halben Jahr einen festen Job. Seine Arbeitskleidung ist zugleich der Ausweis seiner Besonderheit und Bedeutung, seine unmittelbare Vorgesetzte spricht ziemlich flapsig und salopp von einem „Geschirr“, auf dem das Arbeitsfeld symbolisch dargestellt ist. Milos größtes Kapital ist seine grundsätzliche Freundlichkeit und Empathie gegenüber jedermann – denn er ist ein Therapiehund in den Diensten des Klinikums Esslingen.

 

Der eineinhalbjährige Kleinpudel mit 40 Zentimeter Schulterhöhe verstärkt seit diesem Sommer sozusagen das Personal an der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Sein Frauchen ist die Fachärztin Christiane Kauffmann-Schneider, beide zusammen bestreiten – jeder auf seine Art – die Einzelgespräche mit Patienten. Dies geschieht pro Woche an einem Tag in der Erwachsenenstation, hat Milo frei, dann ist er einfach ein ganz normaler Familienhund.

Auch der Hund zeigt Signale von Stress

„Der Einsatz des Therapiehundes hat eine unterstützende Wirkung auf Selbstwertproblematik, Spannungszustände, Aggressionspotenzial, Antrieb und Emotionen“, heißt es in einer Mitteilung der Klinik. Für die Fachärztin und Hundeführerin Kauffmann-Schneider ist es dabei besonders aufschlussreich, wie und ob überhaupt der Patient auf das Tier eingeht. Die einen würden überhaupt nicht weiters auf den Hund reagieren, andere merkten in ihrem Überschwang überhaupt nicht, wenn Milo von sich aus die Grenzen der Vereinnahmung zeige. Dabei, so die Hundeführerin, gäbe es bei dem Tier eindeutige Signale der Verhaltensänderung und von Stress.

Ob so oder so, auf jeden Fall ließen sich die unterschiedlichen Reaktionen der Patienten anschließend mit der Therapeutin thematisieren. Psychische Krisen, heißt es, könnten so schneller überwunden werden, bei schwer zugänglichen Patienten erleichtere der Hund den Kontakt. „Hunde können die Körpersprache der Menschen lesen“, sagt die Fachärztin Kauffmann-Schneider. Und beim Streicheln des Vierbeiners käme es bei den Zweibeinern nachweislich zur Ausschüttung von „Bindungshormonen“. Ein positives Gefühl aber übertrage sich auf die Beziehung zwischen dem Patienten und dem Therapeuten und bilde gewissermaßen eine Brücke.

Das Einsatzgebiet von Milo ist groß

Björn Nolting, der Chefarzt der Esslinger Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, unterstrich bei der Vorstellung des vierbeinigen Mitarbeiters dessen Beitrag sowohl bei der Diagnostik als auch bei der Therapie. Er selbst habe an einem früheren Arbeitsplatz in Dortmund erlebt, wie positiv sich der Umgang mit Tieren auf Patienten auswirke.

Damals habe eine Krankenpfleger seinen Golden Retriever mit zur Arbeit gebracht – und den regelmäßigen Spaziergängen von Herr und Hund durch einen nahen Park hätten sich häufig begeisterte Patienten angeschlossen. Von daher, so Nolting, habe er sich dem Gedanken von der Anschaffung eines Therapiehundes gegenüber von Anfang an offen gezeigt. Zum Patientenkreis, der die Bekanntschaft von Milo machen wird, zählen traumatisierte und depressive Menschen sowie solche mit Angstzuständen und Essstörungen, mithin laut Nolting Patienten mit klassischen psychosomatischen Krankheitsbildern. Gerade bei Traumatisierten, die ihre Erfahrungen mit anderen Menschen verbinden, könnten zu Tieren eher Zutrauen fassen, hieß es.

Grundsätzlich aber, so wird betont, ist es jedem Patienten freigestellt, ob er die Anwesenheit des Vierbeiners wünscht. „Die Meisten haben nichts dagegen“, sagt Kauffmann-Schneider, „manche wünschen sich’s ausdrücklich.“ Milo wiederum bringt für seinen sensiblen Job gute Voraussetzungen mit: Wie bei Pudeln üblich, wird sein Fell zumindest in der warmen Jahreszeit ganz kurz geschoren, zudem haart es nicht, ist also für Allergiker unproblematisch. Und: Alle drei Monate ist ein Besuch beim Tierarzt fällig.

Bei der Vorstellung des wuseligen Kollegiumsmitglieds Milo hatte der Vierbeiner zugleich die Chance genutzt, seine Fangemeinde zu erweitern: Neben den beiden Fachärzten und der Unternehmenssprecherin Anja Dietze waren nämlich auch die Praktikantin Sabine Huber und die Auszubildende Tina Frisch mit von der Begrüßungsvisite.