Interview – - Es muss nicht immer ein Tauchunfall sein. Auch bei Rauchgasvergiftungen, entzündlichen Wunden und medizinischen Fehlern ist eine Therapie mit Sauerstoff in Druckkammern erste Wahl, sagt Kay Tetzlaff (54), Professor an der Uniklinik Tübingen, Experte für Tauch- und Überdruckmedizin.
Herr Tetzlaff, es gibt in Baden-Württemberg schon zahlreiche funktionierende Druckkammern. Ist da eine 24-Stunden-Bereitschaft nicht ein Luxus?
Nein, ganz sicher nicht. Die hyperbare Therapie, also Atmung von Sauerstoff bei erhöhtem Druck, hat für mehrere Krankheitsbilder ihre klare medizinische Berechtigung. Auch wenn es sich um eher seltene Notfälle handelt, sollte es uns die optimale Versorgung der Patienten wert sein, eine 24-Stunden-Versorgung zu gewährleisten.
Um welche Patienten geht es dabei?
Es geht vor allem um Gasembolien, Kohlenmonoxidvergiftungen, den Gasbrand und um Tauchunfälle.
Tauchunfälle? Hier im Südwesten?
Ja, auch in Baden-Württemberg kommen Patienten mit Tauchunfällen immer wieder vor. Rund eine halbe Million Menschen in Deutschland tauchen regelmäßig. Das können Menschen sein, die nach dem Tauchurlaub nachts aus dem Flieger steigen und Symptome bemerken. Das kann aber auch hier bei Übungen passieren.
Im hessischen Wiesbaden und Murnau in Bayern gibt es Kammern, die teilweise Notfallversorgung anbieten.
Das ist auch gut so. Aber bei vielen Fällen spielt der Faktor Zeit eine entscheidende Rolle. Tauchunfallpatienten etwa müssen möglichst schnell, innerhalb von etwa drei Stunden, in einer Druckkammer behandelt werden. Dann gehen solche Sachen in mehr als 80 Prozent aller Fälle ohne gravierende Folgen aus. Zu lange Transportzeiten senken die Chancen der Patienten deutlich.
Es geht aber nicht nur um Tauchunfälle.
Nein, es geht auch um Kohlenmonoxid-Vergiftungen, etwa nach einem Gebäudebrand. Auch kann es nach medizinischen Routineeingriffen zu Gasembolien kommen, die mit HBO optimal behandelt werden können. Nicht zuletzt geht es auch um Patienten mit Gasbrand. Dabei stirbt wegen Wunderregern das Körpergewebe ab. Das Sterblichkeitsrisiko ist sehr hoch.