Der Ausschuss zur Akteneinsicht wirft der Verwaltungsspitze vor, ihm Infos zum Kuwait-Deal und der Verantwortung von Ex-Bürgermeister Wölfle vorenthalten zu haben.
Stuttgart - Es waren zwei einfache Fragen, die der Vorsitzende des Ausschusses zur Akteneinsicht im Klinikum-Skandal, Klaus Nopper (CDU), Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) gestellt hat. Dessen Antworten, auf fünf Seiten verteilt, weckten die Neugier der Teilnehmer. Das Gremium erwägt nun, die Suche nach Pflichtverletzungen bei der Aufarbeitung der Angelegenheit nicht abzuschließen, sondern auf unbestimmte Zeit fortzusetzen.
Aktuell ist dem Gremium wichtig zu klären, warum Kuhn den ehemaligen Krankenhausbürgermeister Werner Wölfle (Grüne) erst Anfang 2019 wegen des bis dahin nicht bekannten aktiven Parts beim umstrittenen Kuwaitgeschäft angezählt hatte und nicht vorher: Weil er bis dahin nicht informiert war, wie er selbst sagt, oder weil er den Grünen-Freund aus Gründen der Parteiräson decken wollte, wie einige Ausschussmitglieder vermuten?
SMS steckten in Prozessakten
Der heutige Sozialbürgermeister Wölfle war über den Abschluss des Kooperationsvertrags mit Kuwait im Umfang von 46 Millionen Euro (am Gemeinderat vorbei) besser informiert als eingeräumt. Diese Information war in der Verwaltung schon seit dem Jahr 2017 vorhanden, und zwar in Form eines Austausches von SMS zwischen dem Bürgermeister und dem lange für ausländische Patienten zuständigen Abteilungsleiter Andreas Braun. Sie schlummerten in den Arbeitsgerichtsakten. Der Ex-Abteilungsleiter hatte sie im Kampf gegen seine fristlose Kündigung vorgelegt, um den Vorwurf zu widerlegen, er habe immer eigenmächtig gehandelt.
Die Zeitfrage ist wichtig, es geht schließlich um den gegen Wölfle erhobenen – und bisher nicht nachgewiesenen – Verdacht der Untreue und ob diese vertuscht werden sollte. Die Staatsanwaltschaft stand jedenfalls sofort auf der Platte, nachdem OB Kuhn infolge der Veröffentlichung der Kuwait-Korrespondenz zwischen Wölfle und Ex-Abteilungsleiter Andreas Braun Anfang 2019 eine öffentliche Erklärung des Bürgermeisters befohlen hatte.
Rathausspitze war schon 2018 gut informiert
Aber schon im Mai 2018 – also ein halbes Jahr bevor die Staatsanwaltschaft die Brisanz der SMS erkannt hatte und dann Rathausbüro und Privatwohnung durchsuchte – haben in der Rathausspitze alle Alarmglocken geläutet. Die Ermittler hatten sich gemeldet, weil in unserer Zeitung die Existenz der Kuwait-Korrespondenz zwischen Wölfle und Braun angedeutet worden war. Kuhns Stellvertreter Michael Föll (CDU), bis zu seinem Wechsel ins Kultusministerium vor wenigen Monaten Krankenhausbürgermeister, genehmigte laut einer Mail vom 18. Mai seines Referats an die mit den internen Ermittlungen betraute Kanzlei BRP Renaud & Partner die Weitergabe der SMS an die Anklagebehörde. Dass er es danach nicht für nötig erachtete, „den Gemeinderat oder die Öffentlichkeit“ über die aus den SMS hervorgehende Beteiligung seines Kollegen am Vertrag mit Kuwait zu informieren, rückt ihn in ein schlechtes Licht und lässt Ausschussmitglieder spekulieren, ob die Probleme ein Grund für den beruflichen Neuanfang gewesen sein könnten.
Und auch die Anwaltskanzlei steht nun im Ausschuss in der Kritik. Sie hat nämlich laut OB Kuhn Ende 2018 – also in Kenntnis der erklärenden SMS-Korrespondenz und ihrer Bedeutung für die Staatsanwaltschaft – den mit der Schadensregulierung betrauten Versicherungsmakler wissen lassen, sie sehe keine Anhaltspunkte für „eine zur Haftung führenden Pflichtverletzung“ von Wölfle und den Mitgliedern des Krankenhausausschusses.
Kanzlei musste Erklärungen einholen
Das irritiert die Stadträte vor allem deshalb, weil BRP von der Rathausspitze zuvor in den Alarmzustand versetzt worden war. Die Anwälte mussten nach der Anfrage der Staatsanwaltschaft von Wölfle und von dessen Vorgänger (und ebenfalls bei regem SMS-Verkehr mit Braun ertappten) Klaus-Peter Murawski (Grüne) Erklärungen einholen. Staatsminister Murawski verabschiedete sich kurz darauf mit Hinweis auf seine angeschlagene Gesundheit in den vorzeitigen Ruhestand. Wölfle ist derzeit krankgeschrieben, seine Amtszeit endet im August.
Wann wusste OB Kuhn was? Das bleibe „eine offene Frage“, heißt es im vorläufigen Schlussbericht. Dass aber das Stadtoberhaupt erst kürzlich in einer kontroversen Gemeinderatssitzung betont hatte, er habe „erst Anfang 2019“ von den SMS erfahren, im danach veröffentlichten Protokoll aber die Formulierung „nicht schon seit 2017“ steht, findet der Ausschuss schon sehr „auffällig“. Es lege jedenfalls die Vermutung nahe, Föll habe, wenn nicht den Gemeinderat, so doch seinen Chef 2018 über das Problem informiert.
Glätten für bessere Verständlichkeit
OB Kuhn stellt klar, Formulierungen in Sitzungsprotokollen würden „üblicherweise zur besseren Verständlichkeit geglättet“. In seiner Rede habe er – anders als im Manuskript – zwei Sätze unzureichend verknüpft. Das sei korrigiert worden. Der Ausschuss sieht das anders: Von „klärendem Charakter“ könne keine Rede sein, wenn aus einer konkreten Zeitangabe eine unkonkretere gemacht werde.