Anfang des Monats hat das Klinikum Stuttgart einen Aufruf gestartet. Aufgrund der Corona-Pandemie suchte man ehrenamtliche Helfer, um die Krise besser bewältigen zu können. Inzwischen haben sich rund 3000 Menschen gemeldet.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

Stuttgart - Normalerweise forscht die Molekularbiologin Patricia Widmayer an der Universität Hohenheim. Durch den Shutdown aufgrund des Coronavirus hatte sie mehr Zeit. Sie hat sich deshalb beim Klinikum Stuttgart gemeldet und dort ihre Hilfe angeboten. Sie habe erst vier Wochen ein Praktikum gemacht, inzwischen arbeitet sie in Teilzeit weiterhin im Klinikum. Sie unterstützt bei den Testverfahren im Labor. „Das ist von der Methodik her dasselbe, was ich auch an der Uni mache“, sagt Widmayer.

 

Es sei „Wahnsinn“, was das Team am städtischen Klinikum in den vergangenen Wochen geleistet habe. „Da habe ich selbst auch ein sehr, sehr sicheres Gefühl bekommen“, sagt die 51-jährige Wissenschaftlerin. Und sie selbst freue sich, dass sie nun einen Beitrag leisten könne.

Für die Tests hat das Klinikum ein neues Team zusammengestellt

Das Klinikum hat die Testung von Abstrichen auf- und ausgebaut. Inzwischen können knapp 1000 Proben am Tag auf Sars-CoV 2 untersucht werden. „Das konnte nur gelingen, indem eigene Mitarbeiter aus dem mikrobiologischen Labor mit unseren Humangenetikern und Molekularpathologen zusammenarbeiten“, sagt Jan Steffen Jürgensen, der medizinische Vorstand des Klinikums. Eine dieser Helferinnen ist Patricia Widmayer. „Sie brauchte keine Einlernphase, sie ist in dem Verfahren zu Hause. Sie war sofort eine Bereicherung und eine wichtige Verstärkung“, sagt Jürgensen.

Anfangs habe man noch alle Proben ins Labor des Virologen Christian Drosten nach Berlin geschickt. „Dann haben wir das in Stuttgart zügig selbst etabliert und ausgebaut“, sagt Jürgensen. Dazu habe man aus der Onkologie, der Humangenetik und der Molekularpathologie Kollegen zu einem neuen Team zusammengezogen.

Viele Helfer bieten ihren Einsatz sogar Tag und Nacht an

Viele, wie auch Widmayer, hätten sogar selbst angeboten, im Schicht- und Nachtdienst zu arbeiten. „Ein Drei-Schicht-Betrieb ist bisher zum Glück nicht nötig“, sagt Jan Steffen Jürgensen.

Patricia Widmayer ist allerdings nicht die einzige, die ihre Expertise zur Verfügung stellt. Auch viele andere Menschen haben sich gemeldet, um im Klinikum ehrenamtlich auszuhelfen – rund 3000 sollen es gewesen sein. „Wir haben von ganz vielen Seiten Unterstützungsangebote bekommen, von Anästhesisten im Ruhestand, die bei der maschinellen Beatmung helfen könnten, aber auch von Angehörigen der Patienten, die handwerklich anpacken würden“, sagt Jürgensen.

Derzeit hat das Klinikum die Situation gut im Griff

Bisher gleiche die Stimmung im Krankenhaus noch der Ruhe vor dem Sturm. Man bereite sich vor und warte. Auch in Stuttgart verlaufen rund 80 Prozent der Erkrankungen milde mit Erkältungssymptomen, aber auch Durchfall, Kopf- und Muskelschmerzen. Rund 14 Prozent der Erkrankten hätten schwere Verläufe mit beidseitiger Lungenentzündung, die aber noch nicht intensivpflichtig seien. Sie klagten über extreme Abgeschlagenheit und massive Atembeschwerden, müssten aber nicht künstlich beatmet werden.

Fünf bis sechs Prozent der Erkrankten bräuchten intensivmedizinische Behandlung, oft auch mit künstlicher Beatmung. Die Intensivbehandlungskapazitäten gelten in Deutschland auch im internationalen Vergleich als sehr gut und wurden nochmals gesteigert. In einem Register werden die aktuellen Verfügbarkeiten auf Intensivstationen täglich aktualisiert. „Da sind wir insgesamt in Deutschland gut ausgestattet. Aktuell wurden 34 000 Intensivbetten erfasst, von denen über 14 000 frei sind“, sagt Jan Steffen Jürgensen. „Durch den zeitlichen Vorlauf konnten uns gut vorbereiten. Allein im Klinikum Stuttgart wurde die Zahl der Beatmungsplätze von knapp 90 auf aktuell 200 gesteigert.“ Er betont aber auch, dass ein Abflachen der Kurve von Neuinfektionen durch gesellschaftliche Maßnahmen mindestens so wichtig ist wie leistungsstarke Akutkrankenhäuser.

Auch beim Mundschutze schneidern engagieren sich viele Menschen ehrenamtlich

Vor allem Medizinstudenten sind kurzfristig eingesprungen

Um das alles zu stemmen, braucht das Klinikum die freiwilligen Helfer. Im Einsatz sind viele Medizinstudenten, die teils schon vorher im Klinikum oder beim DRK tätig waren. „Sie helfen beim Fieber-Screening oder unterstützen die hygienische Abläufe“, sagt Jürgensen. Manche seien auch schon als Rettungssanitäter ausgebildet, wie zum Beispiel Max Sommerer. Er begleitet deshalb mit Ärzten die Verlegung von kritischen Kranken zwischen den Standorten Stuttgart-Mitte und Bad Cannstatt. „Exklusiv für diese Intensivtransporte von Infizierten haben wir einen Rettungswagen bereitgestellt, zu deren Besatzung er gehört“, sagt Jürgensen. „Das ist ein ganz wertvoller Einsatz.“