Das Bundeskartellamt hat den Verbund der Unikliniken Mannheim und Heidelberg abgelehnt. Jetzt soll es Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck richten – wie das Land seine Sondererlaubnis erreichen will.
Wie erwartet, hat das Bundeskartellamt den engen Verbund der beiden Universitätskliniken Heidelberg und Mannheim nicht genehmigt, von dem die grün-schwarze Landesregierung sich eine massive Stärkung des Gesundheitsstandorts Baden-Württemberg und sogar Fortschritte für ganz Deutschland versprochen hat. Kartellamtspräsident Andreas Mundt begründete die Entscheidung damit, dass bei Realisierung des Klinikverbunds in der Region „nur wenige vergleichbare und unabhängige Wettbewerber, in manchen medizinischen Fachbereichen fast gar keine“ verbleiben.
Der Klinikverbund hätte eine marktbeherrschende Stellung nicht nur auf dem allgemeinen Krankenhausmarkt, sondern auch bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen. Nach dem ausgiebigen Prüfverfahren, bei dem 30 Kliniken und mehr als 200 niedergelassene Ärzte in der Region befragt worden sind, ist Mundt überzeugt, dass auch andere Formen der Kooperation ähnlich positive Wirkungen entfalten könnten, ohne gleich den Kliniken ihre Unabhängigkeit zu nehmen. Wissenschaftsministerin Petra Olschowski und Gesundheitsminister Manfred Lucha (beide Grüne) wollen das Klinikprojekt dennoch weiterhin realisieren und streben nach dem Nein der Wettbewerbshüter eine Ministererlaubnis von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) an.
Was erwidert das Land dem Kartellamt? Die Minister Olschowski und Lucha argumentieren mit Gemeinwohlinteressen jenseits des Wettbewerbsrechts. Laut Aussage der Wissenschaftsministerin könnten medizinische Spitzenforschung, eine hochkarätige Patientenversorgung und rund 270 Medizinstudienplätze verloren gehen, wenn es bei der Untersagung bleibt. „Der angestrebte Verbund der beiden Universitätsklinika Heidelberg und Mannheim ist weiterhin der richtige Weg für eine bedarfsgerechte und qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung in der gesamten Region Rhein-Neckar“, ergänzt Gesundheitsminister Lucha. Nur in enger Kooperation sei die Zukunft beider Kliniken sicherzustellen. Die beiden Landesministerien hatten stets betont, dass durch das Zusammenrücken beider Unikliniken ein global wahrnehmbarer Leuchtturm der Gesundheits- und Lebenswissenschaften entsteht, der mit der Berliner Charité mindestens konkurrenzfähig wäre und auch die Medizin- und Pharmabranche im Südwesten insgesamt stärken könnte.
Worauf kommt es jetzt an? „Unser Antrag beim Bundeswirtschaftsministerium wird die Bedeutung für Land und Stadt, für Forschung, Lehre und Versorgung und damit auch für die Weiterentwicklung des Gesundheitsstandorts aufzeigen. Wir werden unser gemeinsames Ziel eines Verbundes der beiden Universitätsklinika mit ganzer Kraft weiterverfolgen“, kündigt Olschowski an. Auch der Mannheimer Oberbürgermeister Christian Specht fordert eine „umfassende Bewertung des Verbunds“ durch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Die Finanzierung „eines Supra-Maximalversorgers“ für Patienten aus ganz Deutschland bringe seine Stadt „zunehmend an die Grenzen ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit“. Das Mannheimer Klinikum ist nicht nur seit Jahren defizitär, sondern auch die bundesweit einzige Universitätsklinik, die voll im kommunalen Besitz ist.
Wie geht es weiter? Nach der Entscheidung des Bundeskartellamtes hat die Landesregierung nach den Vorgaben des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen nun vier Wochen Zeit, den Antrag auf Ministererlaubnis in Berlin zu stellen. Solche Verfahren sind relativ selten. Bisher gab es bundesweit 23. In zehn Fällen wurde die Ministererlaubnis erteilt. Im Unterschied zum Fusionskontrollverfahren vor dem Bundeskartellamt ist die Bewertung des Wirtschaftsministers nicht allein auf Wettbewerbsfragen beschränkt.
Was zählt jetzt für Robert Habeck? Die Landesregierung ist überzeugt, in dieser Abwägung gute Karten zu haben. Hoffnung saugen die Beteiligten aus der Nummer 21 in der Liste der beantragten Ministererlaubnisse. 2007 hat der Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) der Universitätsklinik Greifswald eine Ausnahmegenehmigung für die Übernahme des Kreiskrankenhauses Wolgast erteilt, die die Wettbewerbshüter zuvor abgelehnt hatten. Auch damals hatte das Bundeskartellamt eine marktbeherrschende Stellung der verschmolzenen Klinik konstatiert, was auch die Monopolkommission und das Bundeswirtschaftsministerium bestätigten. Allerdings stufte Glos die Vorteile für das Gemeinwohl als wichtiger ein. Er erteilte die Ministererlaubnis, weil sonst der Erhalt der medizinischen Fakultät in Greifswald gefährdet gewesen wäre – mit negativen Folgen für die ganze Region.