Das Ausscheiden des Geschäftsfühers Weiß kam für die Mitarbeiter völlig überraschend. Jetzt äußern sie die Betriebsräte dazu.

Böblingen: Carola Stadtmüller (cas)

Böblingen/Calw - Nach dem plötzlichen Ausscheiden des Geschäftsführers Gunther Weiß ist bei den Mitarbeitern des Klinikverbunds Südwest die Überraschung groß. Die Betriebsratsvorsitzenden der Häuser in Leonberg und Herrenberg stehen dazu Rede und Antwort.

 

Frau Jünemann, Herr Ruck, als Betriebsrat bekommt man mehr Interna mit als andere. War für Sie der Rückzug von Gunther Weiß vor zwei Wochen vorhersehbar gewesen?

Wolfram Ruck Für uns war dieser Abgang zu diesem Zeitpunkt genauso überraschend wie für alle anderen. Es ist richtig, dass es zuvor ziemlich holprig gewesen ist. Das lag an dem teilweise autoritären Kommunikationsstil von Herrn Dr. Weiß. Vieles hätte man diplomatischer regeln können.

Können Sie das konkretisieren?

Ruck Es gab eine sehr starke Zentrale in Sindelfingen, dem Sitz der Geschäftsführung. Die Krankenhäuser außerhalb hatten zu wenig Mitsprachemöglichkeiten. Das war auch so gewollt. An diesem Punkt können sich weder die Gesellschafter noch die Aufsichtsräte von der Verantwortung freisprechen. Deshalb gab es ja einen sehr mächtigen Alleingeschäftsführer.

Das Einfachste war, diesen Geschäftsführer zu entlassen?

Ruck Das ist wie im Fußball. Wenn etwas im Verein schief läuft und der erwünschte Erfolg ausbleibt, dann geht der Trainer. Doch das löst nicht die Probleme.

Was sind die Probleme?

Ruck Es mehren sich in Böblingen und Sindelfingen die Stimmen, die ein zentrales Krankenhaus auf dem Flugfeld fordern. Wir befürchten, dass dann für die Häuser an der Peripherie - das sind Leonberg und Herrenberg - zu wenig übrig bleibt.

Die Krankenhäuser in Leonberg und Herrenberg gelten als defizitär. Wäre eine Schließung nicht sinnvoll?

Andrea Jünemann Der Klinikverbund hat hochgerechnet ein Defizit von rund neun Millionen Euro. Das verteilt sich relativ gleichmäßig auf alle Kliniken. Auch das Klinikum Sindelfingen-Böblingen hat ein Defizit. Hinzu kommt der Sanierungsstau in allen Häusern des Klinikverbunds.

Aber warum sollen die Herrenberger und Leonberger Bürger nicht künftig nach Sindelfingen in das neue Krankenhaus?

Ruck Es geht um eine wohnortnahe Versorgung. Das Leonberger Krankenhaus hat ein Einzugsgebiet von 170 000 Einwohnern. Die Patientenzahlen steigen sowohl in Herrenberg als auch in Leonberg.

Jünemann Für die Notfallversorgung braucht man sehr oft ein Krankenhaus am Ort. Außerdem bedenken Sie die demografische Entwicklung. Die Menschen werden immer älter. Da wird eine wohnortnahe Klinik immer wichtiger. Und nicht zuletzt: auch die niedergelassenen Ärzte wollen ein Krankenhaus am Ort. Nur so kann eine optimale Versorgung der Patienten sichergestellt werden.

Der Böblinger Landrat Roland Bernhard betont aber immer wieder, dass die Häuser in Leonberg und Herrenberg erhalten werden sollen. Von Schließung sei keine Rede.

Jünemann Wir brauchen mehr als Lippenbekenntnisse. Wir wollen Taten sehen. Aber hierzu braucht es eine Weiterentwicklung der medizinischen-pflegerischen Konzepte des Klinikverbunds.

Ruck Dies scheiterte bisher immer wieder an den Abstimmungen innerhalb der Gesellschaften des Verbunds.

Liegt das vielleicht am komplizierten Konstrukt der Holding?

Jünemann Es gibt acht verschiedene Gesellschaften im Verbund und sechs Aufsichtsratsgremien. Allein im Aufsichtsrat der Holding sitzen 33 Personen. Wir im Betriebsrat des Konzerns sind uns einig, dass wir ein einheitliches und abgestimmtes Konzept brauchen. Dies haben wir mehr als einmal auf den Tisch gebracht. Das war übrigens auch die Meinung von Herrn Dr. Weiß. Doch auf höherer Ebene ist man wohl noch nicht so weit.

Wie zu hören ist, ist der Kampf der Aufsichtsräte innerhalb der Holding nach Weiß' Rücktritt erst so richtig in Gang gekommen. Das klingt eher nach Sandkastenkrieg denn nach vernünftiger Planung.

Ruck Einige Aufsichtsräte verhindern immer noch mit ihrem Kirchturmdenken eine vernünftige Weiterentwicklung des Klinikverbunds. Jedes der Aufsichtsratsgremien muss die Ziele und die Interessen der Gesellschaft verfolgen. Das aber nutzt dem Klinikverbund ohne Abstimmung nichts. Wir müssen im Klinikverbund wirklich koordiniert vorgehen. Und deshalb sollten wir den Weggang von Herrn Dr. Weiß als Schnitt betrachten, nun müssen wir eine Bestandsaufnahme machen. Was haben wir in den vergangenen Jahren erreicht? Wo fehlt es? Wir brauchen klare Finanzierungskonzepte der Träger und des Landes und einen Masterplan inklusive Personalplanung für den gesamten Verbund. Und wir müssen überlegen, welche Schwerpunkte wir setzen. Der Klinikverbund ist im landesweiten Vergleich nicht gut genug aufgestellt. Wir konkurrieren nämlich nicht nur um Patienten, sondern auch um Personal. Andere Klinikverbünde, wie zum Beispiel der in Villingen-Schwenningen, sind da schon viel weiter.

Jünemann Wir müssen attraktiver für Patienten und Mitarbeiter werden, und zwar in allen Häusern des Verbunds. Die Abteilungen, die dem Klinikverbund Geld bringen, sind in den vergangenen Jahren ganz bewusst nicht in Leonberg und Herrenberg angesiedelt oder gestärkt worden. Aber jedes Krankenhaus braucht wirtschaftlich gute Bereiche, um zu überleben.

Ruck Wir brauchen eine Partizipation aller Häuser. Und wir brauchen eine Partizipation der Mitarbeiter. Damit meine ich sowohl Pflegende als auch Ärzte. Es gibt anders als bei Unternehmen wie Daimler und Bosch im Klinikverbund eine zu kurz greifende Arbeitnehmer-Mitbestimmung. Auch da ist man in anderen Kliniken des Landes schon weiter als im Klinikverbund.

Klinikverbund aus acht Gesellschaften

Wolfram Ruck Seit 13 Jahren ist der 47-jährige Krankenpfleger als Betriebsratsvorsitzender des Leonberger Krankenhauses freigestellt. Er sitzt im Aufsichtsrat der Kreiskliniken GmbH (Krankenhäuser Leonberg und Herrenberg).

Andrea Jünemann Die 45-Jährige ist Arzthelferin und in der Verwaltung des Herrenberger Krankenhauses angestellt. Zu 50 Prozent ist sie als Betriebsrätin von der Arbeit freigestellt. Sie sitzt im Aufsichtsrat der Kreiskliniken GmbH sowie der Holding.

Gesellschaften Der Klinikverbund ist ein kompliziertes Konstrukt: Er besteht aus acht Gesellschaften - die Träger der sieben Kliniken in den Kreisen Böblingen und Calw und der Servicegesellschaft. Die Gesellschaften werden von sechs Aufsichtsräten kontrolliert, jeder hat 15 bis 31 Mitglieder: Stadt- und Kreisräte. Für die gesamte Holding gibt es einen weiteren Aufsichtsrat mit 33 Mitgliedern.