Planbare Operationen werden hochgefahren. Corona- Behandlungen sind aber gesichert.

Leonberg: Thomas Slotwinski (slo)

Kreis Böblingen - Schon vor zwei Wochen hatte Jörg Noetzel gemutmaßt, dass viele Patienten, die ein anderes Krankheitsbild als Covid-19 haben, den heimischen Kliniken fernbleiben. Womöglich aus Angst, sich selbst mit Corona zu infizieren, vielleicht auch um das ohnehin unter extremer Anspannung arbeitende Klinikpersonal nicht weiter zu belasten.

 

Dass der Chef der Geschäftsführung des Klinikverbundes aus medizinischer Sicht mit dieser Mischung aus Selbstschutz und Rücksichtnahme nicht zufrieden sein kann, liegt nahe. Denn dass zum Beispiel die Zahl der Herzkranken plötzlich sprunghaft nach unten gegangen ist, hält Noetzel für quasi ausgeschlossen.

Es gibt wieder Sprechstunden

Deshalb geht es in den Krankenhäusern zwischen Leonberg und Nagold jetzt nicht mehr vor allem um Corona-Therapien. Der Klinikverbund Südwest hat damit begonnen, das ambulante und stationäre Behandlungsprogramm stufenweise wieder hochzufahren. In einem ersten Schritt wurden die Sprechstunden wieder aufgenommen, in dieser Woche finden die ersten planbaren Operationen an allen sechs Standorten statt.

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Gemäß den bundesweiten Vorgaben waren seit dem 16. März alle aus medizinischer Sicht nicht unmittelbar notwendigen Aufnahmen und Operationen verschoben worden, um Behandlungskapazitäten für Corona-Erkrankte sowie alle anderen Notfälle frei werden zu lassen.

Vorsichtiger Optimismus

Anhand der Zahlen hält der Klinikverbund dieses Vorgehen für „zwingend“: Am 3. April wurden in den Krankenhäusern 103 positive Covid-19-Patienten stationär behandelt, 74 auf normalen Isolierstationen, 29 auf den Intensivstationen, davon 26 beatmet. Hinzu kamen an diesem Tag weitere 41 Verdachtsfälle.

„Das war bislang der Höchststand und eine maximale Herausforderung für die Kliniken, welche die Mitarbeiter mit Bravour gemeistert haben“, unterstreichen die beiden Landräte Roland Bernhard und Helmut Riegger. „Die aktuellen Zahlen stimmen vorsichtig optimistisch, sodass wir vor allen Dingen im Sinne derjenigen Patienten, die notgedrungen viele Wochen auf ihre Behandlungstermine warten mussten, nun sukzessive wieder zu einem Regelbetrieb zurückkehren wollen.“

Ende April wurden noch 23 Corona-Patienten verbundweit stationär behandelt, zwölf davon auf Intensivstationen. „Die Lage hat sich somit etwas entspannt, 38 Prozent der Intensivkapazitäten sind aktuell frei“, unterstreicht Jörg Noetzel. „Daher haben wir in den letzten Wochen in enger Abstimmung mit den Ärztlichen Direktoren aller Standorte ein Stufenkonzept entwickelt, welches die Versorgung von Covid-19-Patienten weiterhin sicherstellt, parallel aber das Hochfahren des Angebots anderer medizinischer Behandlungen wieder zulässt. Selbstverständlich wird auch weiterhin durch räumliche Abgrenzungen zwischen den Patienten einer potenziellen Ansteckung vorgebeugt.“

25 Prozent der Intensivbetten bleiben für Corona frei

„Wir orientieren uns im Rahmen des Stufenkonzeptes zur Rückkehr in einen Normalbetrieb streng an den Vorgaben des Bundesgesundheitsministeriums“, versichert Landrat Bernhard, der Aufsichtsratsvorsitzender des Klinikverbunds Südwest ist. „Demnach werden weiterhin für Covid-19-Patienten rund 25 Prozent der insgesamt vorhandenen Intensivbetten vorgehalten. Wir sind jederzeit in der Lage, innerhalb von 72 Stunden weitere Intensiv- und Beatmungskapazitäten wieder freizusetzen“, erklärt Bernhard.

Trotzdem bleibt Bernhard vorsichtig: „Wir werden zunächst keinerlei Intensivkapazitäten abbauen, welche wir in den letzten Wochen im Verbund von regulär 46 auf momentan 85 Intensivbetten nahezu verdoppelt haben“, erklärt der Böblinger Landrat. „Wir fahren sozusagen auf Sicht und müssen die allgemeine Entwicklung der Infektionszahlen bundes-, landes- und kreisweit immer im Blick behalten.“

Besuchsverbote bleiben

Sein Kollege Helmut Riegger aus Calw erklärt, dass alle Patienten vor einer stationären Aufnahme auf Corona getestet werden. Es gelten strenge Sicherheitsvorschriften: Die Besuchsverbote bleiben bestehen, es herrscht Maskenpflicht, an den Eingängen finden zusätzliche Temperaturmessungen bei allen Externen statt.

„Durch die Testergebnisse der kommenden vier Wochen erhalten wir wertvolle Erkenntnisse über mögliche Infektionsmengen in unserem Einzugsgebiet“, erklärt der Medizinische Geschäftsführer Noetzel. „Je nach Entwicklung streben wir eine schrittweise Erhöhung der OP-Kapazität für planbare Eingriffe um jeweils bis zu zehn Prozent im Zwei-Wochen-Rhythmus an. Für den Moment heißt das, dass bis zu 70 Prozent aller Elektiveingriffe wieder stattfinden können, immer vorausgesetzt, dass die Lage stabil bleibt.“

Die Entscheidung trifft der Arzt

Noetzel versichert, dass „über allem die kontinuierliche Sicherstellung eines Kapazitätspuffers und die Reaktionsfähigkeit bei Covid-19-Patienten steht“. Die finale Entscheidung, ob und wann eine Operation stattfinden kann oder muss, beispielsweise lebenswichtige Tumoroperationen, „trifft ungeachtet dessen wie gehabt aber immer der behandelnde Arzt ganz im Sinne des Patienten!“

Für Sprechstundentermine und Rückfragen können sich Patienten ab sofort ganz normal an die jeweiligen Fachabteilungen der Kliniken vor Ort wenden.