Die Stadt will aus dem Verbund aussteigen – muss aber über die Modalitäten mit ihrem Vertragspartner verhandeln. Doch ein Termin kommt nicht zustande. Der Landrat und der Oberbürgermeister schieben sich dafür gegenseitig den schwarzen Peter zu.

Sindelfingen/Böblingen - Von einem Sommerloch ist im Kreis Böblingen nichts zu spüren. Ganz im Gegenteil: es verspricht ein heißer Sommer zu werden, und das nicht nur wegen der Außentemperaturen. Die Stimmung im Böblinger Landratsamt sowie im Sindelfinger Rathaus ist nahe dem Siedepunkt – zumindest, wenn es um das Thema Ausstieg der Stadt Sindelfingen aus dem Klinikverbund Südwest geht. Beide Seiten werfen sich gegenseitig vor, die Verhandlungen zu blockieren.

 

„Wir haben im Juni vier Termine für ein Gespräch im Juli angeboten. Diese sind entweder verstrichen oder wurden von Sindelfinger Seite abgesagt“, sagt der Landrat Roland Bernhard. „Wir haben auf einen Termin vor den Sommerferien gedrungen. Doch das Landratsamt hat dies abgelehnt“, sagt hingegen der Sindelfinger OB Bernd Vöhringer.

Thema dieser Verhandlungen sollen die Bedingungen sein, zu denen die Stadt Sindelfingen den Klinikverbund Südwest verlassen könnte. Der Gemeinderat der Stadt hatte vor einigen Monaten den Beschluss zum möglichst schnellen Ausstieg gefasst. Der Landkreis Böblingen – gemeinsam mit Sindelfingen und dem Nachbarkreis Calw Gesellschafter des Verbunds – will den Partner jedoch nicht so einfach ziehen lassen. Über die Modalitäten muss deswegen verhandelt werden.

Kreis hat zwei Gutachten erstellen lassen

Der Kreis hat nun zwei Gutachten erstellen lassen: eines zur rechtlichen Seite, eines zur wirtschaftlichen. Sindelfingen hat danach nur ein außerordentliches Kündigungsrecht, wenn der Partner, also der Kreis Böblingen, seinen Verpflichtungen nicht nachkommen und beispielsweise das Defizit nicht mittragen würde. Doch dies ist nicht der Fall. Ein Ausstieg wäre also reine Verhandlungssache. Und dafür stellt der Landkreis Bedingungen: 28 Millionen Euro müsste Sindelfingen zahlen als Ersatz für das in den kommenden Jahren anfallende Defizit. Diesen Betrag haben Experten im wirtschaftlichen Gutachten errechnet.

Die Stadt Sindelfingen sieht das anders. Den Konsiliarvertrag, der bei der Gründung des Klinikverbunds geschlossen wurde, sei juristisch nicht eindeutig. Außerdem ist man in Sindelfingen nicht bereit, für den Ausstieg zu zahlen, fordert im Gegenteil Ausgleichszahlungen für den Wert der Gesellschaftsanteile, die dann ja an den Kreis übergehen. 80 Millionen seien diese wert – so stand es im Gutachten des Büro Teamplan, das dieses im vergangenen Jahr im Auftrag des Klinikverbunds zum Neubau einer Großklinik auf dem Flugfeld erstellt hatte. Dies nimmt Sindelfingen als Grundlage für die Verhandlungen. „Wir wollen 80 Millionen Euro, der Kreis fordert 28 Millionen. Treffen wir uns in der Mitte. Das bedeutet in jedem Fall ein Plus für uns“, sagt der Sindelfinger Rathauschef Vöhringer.

Landrat Bernhard hingegen verweist darauf, dass die Stadt in ihrer mittelfristigen Finanzplanung bereits 18 Millionen Euro zur Deckung des Defizits der Klinik für die kommenden Jahre eingestellt habe. „Dies zeigt, dass die Stadt mit Verlusten rechnet“, sagt Bernhard und ist der Meinung, dass Sindelfingen zumindest diesen Betrag beim Verlassen des Klinikverbunds Südwest dann an den Kreis zahlen müsste.

Im Sindelfinger Gemeinderat gibt es durchaus Mitglieder, die die Zahlung einer gewissen Ablösesumme nicht ausschließen. „Ein einstelliger Millionenbetrag wäre okay“, findet Andreas Knapp, der FDP-Fraktionsvorsitzende im Sindelfinger Gremium, der auch im Kreistag sitzt. Ingrid Balzer, Chefin der Freien Wähler in Sindelfingen und ebenfalls Kreistagsmitglied, aber schließt eine Zahlung an den Kreis aus. „Wir haben beim Beitritt zum Klinikverbund nicht nur das Krankenhaus eingebracht, sondern auch eine Brautgabe von sechs Millionen Euro.“ Das sei genug.

Zeit wird für Sindelfingen knapp

Die Kreisräte hingegen wollen die Stadt nicht so ziehen lassen. „Mit einer Nullnummer kommt Sindelfingen nicht raus“, sagt der Grünen-Fraktionschef Roland Mundle. Ähnlich sieht es sein SPD-Kollege Tobias Brenner, der sich aber nicht auf einen Betrag festlegen möchte. Der Sindelfinger OB Vöhringer zeigt sich verwundert. „Erst hieß es immer, Sindelfingen zahlt (für das Defizit und den Neubau – Anmerkung der Redaktion) oder geht raus aus dem Verbund. Jetzt heißt es plötzlich: Wenn Sindelfingen raus will, soll es zahlen.“

Für die Stadt könnte die Zeit knapp werden. Um zum 1. Januar 2014 den Verbund zu verlassen, muss sie bis Ende September den Vertrag kündigen. Vöhringer schließt nicht aus, das auch ohne Einigung zu tun. Derweil signalisiert er Gesprächsbereitschaft: „Ich stehe Tag und Nacht bereit.“ Auch der Landrat will trotz seines anstehenden Urlaubs unbedingt verhandeln: „Ich würde sogar an ausgewählten Urlaubstagen zum Gespräch kommen.“