Sindelfingen will sich vom defizitären Klinikverbund trennen. Doch zuvor muss die Stadt mit dem Kreis die Bedingungen eines Ausstiegs verhandeln.

Sindelfingen/Böblingen - Der Wunsch der Sindelfinger, aus dem Klinikverbund Südwest auszutreten (wir berichteten), beendet vermutlich nicht die seit Monaten anhaltenden Querelen zwischen den Partnern. Denn ein Ausstieg der Stadt vereinfacht zwar die komplexen Strukturen mit mehreren Gesellschaftern und diversen Aufsichtsräten, löst aber nicht die enormen finanziellen Problem des Verbunds. Ganz im Gegenteil: „Dieser Wunsch kommt zu einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt“, sagt der Böblinger Landrat Roland Bernhard, der die Nachricht aus Sindelfingen am Donnerstagabend in Berlin vernahm. Mit 23 Millionen Euro Defizit rechnet man in diesem Jahr. Und erstmals sind davon nicht nur die kleineren Krankenhäuser betroffen, sondern auch ganz massiv das große Klinikum Sindelfingen-Böblingen mit seinen zwei Standorten.

 

Streit hatte es in den vergangenen Monaten zwischen den beiden Gesellschaftern des Klinikums – dem Landkreis Böblingen (49 Prozent Anteile) und der Stadt Sindelfingen (51 Prozent) – darüber gegeben, wer für dieses Defizit aufkommen soll. „Nach den Anteilen der Gesellschafter“, lautete das Credo des Landrats sowie der Kreisräte der 25 anderen Kommunen im Kreis. „Wir wollen nicht doppelt zahlen über die Kreisumlage und zusätzlich zuschießen“, so die Meinung in Sindelfingen, das ohnehin der größte Zahler bei der Umlage der Kommunen an den Kreis ist.

Relativ eindeutig war daher das Ergebnis der nicht öffentlichen Debatte des Sindelfinger Rats am Donnerstagabend. Ein Ausstieg aus dem defizitären Klinikverbund erscheint den meisten Ratsmitgliedern als die einzig sinnvolle Lösung.

Beide Seiten fordern Ausgleichszahlungen

Doch einfach so wird der Kreis wohl seinen Mitgesellschafter nicht aus der Verantwortung entlassen. „Also eine Nullnummer wird das für Sindelfingen nicht werden, und schon gar nicht kann die Stadt mit ihrem Austritt noch Geld verdienen“, stellt der Landrat Bernhard klar. Ihm sei gestern Morgen „fast die Kaffeetasse aus der Hand gefallen“, als er las, dass der Sindelfinger OB Ausgleichszahlungen für die in den Verbund eingebrachten Werte fordert. Mit 80 Millionen Euro hatte Vöhringer den Wert beziffert. Auf Kreisseite hingegen werden Ansprüche auf Ausgleichszahlungen der Stadt Sindelfingen laut, wenn diese den Verbund verlässt. „Schließlich gibt es noch Altschulden, die aus der Zeit vor dem Zusammenschluss stammen“, sagt Bernhard.

Die Fraktionssprecher des Kreistags wollen sich zu dieser Frage nicht äußern. „Das ist Sache der Verhandlungen“, sagen Wilfried Dölker, der Chef der Freien Wähler, und sein CDU-Kollege Helmut Noë. Lediglich Tobias Brenner, der Sprecher der SPD, meint: „Da müssen wohl beide Parteien Kröten schlucken.“

Im April beginnen die Verhandlungen

Erstmals im April wollen die Fraktionschefs von Kreistag und Gemeinderat über die Bedingungen eines Ausstiegs reden. „Wir wollen nicht unter allen Umständen austreten“, macht Ingrid Balzer, die Chefin der Freien Wähler im Sindelfinger Gemeinderat, ihre Position klar, „natürlich geht es da vor allem ums Geld.“ Wichtig ist den meisten Stadträten sowie dem OB auch, vor einer Trennung vom Klinikverbund noch das geplante Großkrankenhaus auf dem Flugfeld auf den Weg zu bringen. „Wenn die medizinische Versorgung unserer Bevölkerung langfristig gesichert ist, können wir uns beruhigt zurückziehen“, sagt der SPD-Sprecher Andreas Schneider-Dölker.