Um den Haushalt zu konsolidieren, sollen die Freibäder in Beutelsbach und Strümpfelbach geschlossen werden. Geplant ist dafür ein Neubau neben dem neuen Hallenbad in Endersbach.
Nervös dreht Michael Scharmann eine Büroklammer zwischen seinen Fingern. Der Oberbürgermeister von Weinstadt weiß, die Information, mit der er jetzt an die Öffentlichkeit geht, ist brisant. Sie wird Unmut unter den Bürgern auslösen und strittig diskutiert werden. „Es gibt kein Thema, bei dem ich mehr schlaflose Nächte hatte. Aber nicht zu handeln, ist keine Alternative“, kommentiert er den Entschluss, die Freibäder in den Teilorten Beutelsbach und Strümpfelbach aufzugeben und statt ihrer ein neues Freibad neben dem Hallenbad am Stadion in Endersbach zu bauen. Der Hintergrund der strukturellen Veränderung ist die Haushaltslage der Stadt, die alles andere als rosig ist.
Die Haushaltslage ist alles andere als rosig
„Im Haushalt 2025 rechnen wir mit einem negativen ordentlichen Ergebnis von rund 4,6 Millionen Euro“, ruft Scharmann in Erinnerung. „Und eine Besserung ist nicht in Sicht“ – im Gegenteil. Es ist das altbekannte Spiel von wachsenden Ausgaben durch immer neue Aufgaben, die den Kommunen vom Bund aufgetragen werden – und nicht im selben Maß steigenden Einnahmen. Das verschärft sich noch durch die insgesamt wirtschaftlich schwierige Phase in Deutschland und dadurch stagnierende oder gar schon rückläufige Steuereinnahmen. Demgegenüber stehe der wachsende Sanierungsdruck durch eine vielfach in den 1970er Jahren geschaffene kommunale Infrastruktur, die es nun nach rund 50 Jahren zunehmend instandzusetzen gelte, führt der OB aus.
Einen Weg aus der Misere weisen soll die vom Gemeinderat einberufene Haushaltsstrukturkommission. „Das Ziel unserer Konsolidierung ist es, den Haushalt dauerhaft zu stabilisieren, also nicht durch einmalige, kurzfristige Einschnitte sondern durch strukturelle Anpassungen.“ In dem Zuge hat man sich unter anderem auch die Bäderlandschaft angeschaut. „Die Ausgangslage ist eindeutig: Die bestehenden Freibäder in Beutelsbach und Strümpfelbach sind massiv sanierungsbedürftig.“ Erbaut in den 1930er Jahren seien beide Einrichtungen baulich und technisch stark veraltet, da aus finanziellen Gründen nur kleinere Reparaturen vorgenommen wurden.
Sanierungskosten von 8 bis 10 Millionen Euro würden fällig
„Die Anlagen laufen seit Jahrzehnten auf Verschleiß“, so Scharmann über das Erbe seiner Amtsvorgänger. Laut Gutachten und unter Berücksichtigung gestiegener Baupreise lägen die Sanierungskosten mittlerweile bei insgesamt 8 bis 10 Millionen Euro. Hinzu kommen „exklusiv laufende Kosten für Personal, Energie und Instandhaltung“. „Eine solche Investition wäre nur möglich, wenn andere wichtige Projekte deutlich zurückgestellt oder gestrichen würden.“ Zumal die doppelten Kosten für Personal, Technik, Energie und Instandhaltung weiter laufen. Ohne grundlegende Sanierungen indes müsse man die beiden Freibäder über kurz oder lang ohnehin schließen.
„Die Stadt schlägt daher einen klaren Kurswechsel vor – weg von der teuren Sanierung veralteter Einzelanlagen, hin zu einer modernen, zentralen Lösung.“ Diese beinhaltet die Schließung des Beutelsbacher Freibads zum Saisonende und des Strümpfelbachers zwei Jahre später sowie den Verkauf der beiden Grundstücke mit fast 6800 und knapp 8000 Quadratmetern für Wohnbau zur Finanzierung eines Freibadneubaus am neuen Hallenbad in Endersbach und dessen geplante Inbetriebnahme im Mai 2028. „Diese Lösung ist nicht nur wirtschaftlich sondern auch zukunftsfähig“, sagt Scharmann und zählt die Vorteile auf: weniger Investitionskosten von sechs Millionen Euro und das für ein modernes barrierefreies Bad, das mit Weinstädter Mineralwasservorkommen sowie erneuerbaren Energien durch die Solaranlage auf dem Hallenbaddach betrieben werden kann und dazu jährliche Einsparungen von 600 000 bis 700 000 Euro gegenüber dem Betrieb der bisherigen beiden Bäder einbringt.
Damit schaffe man den Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit, Haushaltskonsolidierung und einem erweiterten Angebot. Denn es ist angedacht, in das neue Freibadgelände die von der SG Weinstadt geplante Sport-Arena mit Beach-Handball und -Volleyball-Feldern einzubinden sowie einen Kiosk zu errichten, der sowohl für Schwimmbadbesucher als auch von Seiten des Stadions zugänglich ist.
Zudem habe ein solches, von den Stadtwerken Weinstadt geführtes Kombibad steuerliche Vorteile, ergänzt Thomas Meier einen weiteren Vorteil. Wie schon bei der Vorstellung der Pläne für den Hallenbad-Neubau ist der Geschäftsführer des städtischen Eigenbetriebs auch beim Pressegespräch zur Haushaltskonsolidierung an Scharmanns Seite. Bereits mit dem Beschluss zum Hallenbadneubau seien die Stadtwerke beauftragt worden, eine Lösung für die Freibäder zu finden. Diese habe man in den vergangenen Jahren entwickelt und vorbereitet, betont Meier. Das vom OB vorgestellte Konzept ist also alles andere als ein Schnellschuss. „Jetzt ist die Frage, ob der Beschluss auch genauso vollzogen wird.“
Am Donnerstag, 26. Juni, wird der Gemeinderat darüber in der Endersbacher Jahnhalle öffentlich vorberaten, in der Juli-Sitzung soll abgestimmt werden. Die Fraktionsspitzen von CDU, Freien Wählern (FWW), Grünen und SPD weiß Scharmann dabei hinter sich. Innerhalb der Fraktionen herrscht indes nicht unbedingt Einigkeit. So gibt es innerhalb von CDU und FWW auch Stimmen, die für ersatzlose Schließungen der Freibäder sind, wie deren Vertreter Volker Gaupp und Roland Ebner beim Pressetermin einräumen.
„Die Stadt muss jetzt eine Entscheidung treffen. Denn auch ein Nicht-Entscheiden wäre ein faktisches Handeln“, weist Meier auf die Dringlichkeit eines baldigen Beschlusses hin. Derweil lässt der Leiter des Stadtplanungsamts, Dennis Folk, keinen Zweifel daran, wohin aus Sicht der Verwaltung der Weg führen sollte. „Wir stecken nicht den Kopf in den Sand, sondern wollen mit einer aktiven Entwicklungs- und Bodenpolitik Weinstadt attraktiv halten“, manifestiert er, „dahinter steckt ein Gesamtkonzept mit der Bereitstellung von Wohnraum.“
Weitere Verkäufe
Rathäuser
Neben der Bäderlandschaft nimmt man in Weinstadt zur Haushaltskonsolidierung auch die historischen Rathäuser in Endersbach, Großheppach und Strümpfelbach in den Blick. Um diese in einem guten Zustand zu erhalten, müssten jeweils dreieinhalb bis viereinhalb Millionen Euro aufgebracht werden, also insgesamt rund zwölf Millionen Euro – eine Summe, die man sich angesichts anderer anstehender Projekte wie den Ausbau der Ganztagsschulen nicht leisten könne, erklärt Michael Scharmann: „Ein Verkauf ist notwendig, um eine verantwortungsvolle Lösung für die Zukunft zu ermöglichen“, berichtet der OB, „Ziel wird es sein, Eigentümer zu finden, die bereit sind, in die Erhaltung der Gebäude zu investieren – unter Berücksichtigung ihres denkmalpflegerischen Wertes.“