Am Kap Tormentoso in Stuttgart-Mitte läuft man leicht vorbei. Ein bis zwei Mal im Monat kann man das Kap aber nicht überhören, dann dürfen Bands im Keller laut aufdrehen. Und auch sonst ist das Kap eine schöne Spielwiese für die Stuttgarter Musikszene.

Digital Desk: Michael Bosch (mbo)

Stuttgart - Grell leuchten die Globusse über der Bar. Sie sind eine der wenigen Lichtquellen im dunklen Keller des Kap Tormentoso. Die Szenerie ist in dunkelrotes Licht getaucht. An den Wänden hängen die goldgerahmten, antik wirkenden Gemälde, auf denen Segelboote gegen stürmische Wellen kämpfen, daneben steht ein Miniaturmodel eines eben solchen Schiffs. Durch den dichten Zigarettenqualm kann man kaum bis zum anderen Ende des Raumes sehen. Eigentlich ist es das gewohnte Bild – so kennt man das Kap Tormentoso.

 

Doch etwas ist dann doch anders, an diesem Donnerstagabend: Auf dem kleinen Podest, wo sonst Studenten und Alternative ihr Bier genießen, stehen heute keine Tische. Die ledernen Sitzhocker wurden beiseite geräumt. Vor der kleine Bühne stehen die Leute dicht an dicht. Oben schrubben zwei Gitarristen im dumpfen roten Licht auf ihren Instrumenten – blecherner Rock-Sound dröhnt aus den Boxen. Die Zuhörerschaft wiegt im Rhythmus der Musik hin und her – fast wie die Schiffe, auf den Bildern an der Wand.

Der Laden ist leicht zu übersehen

Das Kap in der Hirschstraße, das, wenn man den Laden nicht kennt, leicht zu übersehen ist, gehört zu den kleinen Stuttgarter Lokalitäten in denen neben der Bar- auch die Livemusik-Kultur ein Zuhause hat. Kleine Konzerte gibt es schon seit der Gründung Ende 2006.

Bands treten in der Regel zwei Mal im Monat im Kap-Keller auf. „Im Sommer kann es auch mal sein, dass wir an drei Donnerstagen im Monat Konzerte veranstalten. Dann ist unten in der Bar sowieso wenig los. Aber natürlich schauen wir, dass es nicht Überhand nimmt. Wir wollen schließlich auch noch eine normale Kneipe sein“, sagt Tobias Messerle, der Geschäftsführer des Kap, der auch für die Auswahl der Bands verantwortlich ist.

Messerle will vor allem lokalen Gruppen aus Stuttgart eine Bühne bieten, Eintritt kosten die Konzerte im Kap deshalb nie. Natürlich spielen auch Bands aus dem Ausland. „Musiker, die sowieso gerade auf Tour sind, sind natürlich interessant für uns“, erklärt Messerle, „allerdings treten die dann zumeist in Kombination mit einer lokalen Band auf.“

Bei den Konzerten fehlt es den Künstlern an nichts. „Die Musiker haben bei uns eigentlich Narrenfreiheit und können machen was sie wollen. Ich mache da keine Vorschriften.“ Wer seinen Mischer mitbringen will, bringt den eben mit. Wer keinen braucht, lässt es eben bleiben. Allerdings: eine Prämisse gibt es für den Auftritt in der Bar dann doch: „Die Musik sollte ins Rockige gehen.“ Elektro ist eher Fehl am Platz.

Für Messerle ist es außerdem wichtig, dass das Ganze „fair“ abläuft. Kaltgetränke, alkoholisch und nicht-alkoholisch, gehen für die Bands auf’s Haus. Die auftretenden Künstler bekommen außerdem eine feste Gage. Wenn die Band eine Vorlage liefert, druckt das Kap außerdem auf eigene Kosten Flyer und Plakate – keine Selbstverständlichkeit. Messerle sieht darin einen Beitrag zur Unterstützung der lokalen Musikszene. Natürlich zieht er als Betreiber des Kap auch einen Nutzen daraus: durch die Konzerte können neue Gäste gewonnen werden.

Als 300 Besucher im Kap-Keller waren

„Von Sachen wie Pay-and-Play, also dass Bands für die Gelegenheit zum Auftritt bezahlen, halte ich nicht viel. So wie wir das handhaben, ist es für die Musiker und auch für uns eine druckfreie Sache. Wir müssen den Laden nicht voll bekommen, wir machen auch so unser Geld“, betont der Geschäftsführer. Und dementsprechend sieht auch das Publikum bei den Konzerten aus: bunt gemischt.

„Im Normalfall kommen 50 bis 100 Leute, manchmal ist natürlich weniger los“, meint Messerle, „das Publikum setzt sich aus Leuten zusammen, die gezielt zum Konzert kommen, weil sie die Band, die auftritt, kennen und Leuten, die zufällig in unseren Laden stolpern.“ Da hilft sicher mit, dass man die Musik auch draußen in der Hirschstraße hören kann. So etwas gefällt auch Tobias Messerle besonders gut: „Wenn ich nicht in Stuttgart bin und durch die Stadt ziehe und sehe, dass irgendwo eine Live-Band spielt und richtig gefeiert wird.“

Feiern zu Empowerment und zum WM-Finale

In jüngerer Vergangenheit erinnert sich Messerle besonders gerne an den Tag des WM-Finals zurück, „da ging es richtig ab“. Vor dem Finale spielte die New Yorker Band Dirty Fences, anschließend wurde der deutsche WM-Sieg bejubelt. „Das war perfekt. Es waren Leute da, die die Band sehen wollten und solche, die zum Fußballschauen gekommen sind. Die Stimmung war großartig“, sagt Messerle.

Auch an den Auftritt der Stuttgarter Harcore-Punk-Band Empowerment erinnert sich Messerle – allerdings aus einem anderen Grund. „Damals wollten 300 Leute ins Kap. Das war doch arg grenzwertig“, schmunzelt er. Für so viele Gäste ist die kleine Bar dann doch nicht ausgelegt.

Die Bands gehen dem Kap nicht aus

Messerle bezeichnet sich selbst als ziemlich „unbefangen“ in Sachen Musik. „Ich spiele weder selbst ein Instrument, noch habe ich großartige Vorkenntnisse“, betont er. Und doch scheint er an die rockigen Klänge sein Herz verloren zu haben. Wie wäre es sonst zu erklären, dass er gerne jeden Abend Konzerte im Kap veranstalten würde. „Am liebsten hätte ich noch eine zusätzliche Bühne, auf der immer jemand spielt. Bands gibt es ja genug“, meint Messerle. Leider gibt die Location das aber nicht her.

Eben deshalb wird es auch künftig bei ein paar Konzerten im Monat bleiben. Die wird Tobias Messerle weiterhin mit der gleichen Leidenschaft organisieren: für Fans, für die Bands aus Stuttgart, für die, die sowieso im Kap ein Bierchen trinken und natürlich ein bisschen auch für sich selbst.