Eine Anwohnerin des Stuttgarter Leonhardplatzes beschwert sich über laute Musik aus dem Bistro Schiller – ausgerechnet zur Sperrstunde soll dort aufgedreht werden.

S-Mitte - Anita Weber geht ab und an auch mal gern feiern. Doch ihre Partynächte enden irgendwann mit der Vorfreude auf geruhsamen Schlaf. Die junge Frau in den Zwanzigern hat sich zugegebenermaßen einen Wohnort ausgesucht, der in Stuttgart für vieles steht nur nicht für erholsame Nächte. Sie wohnt am Leonhardsplatz. Sie habe sich auf nächtlichen Lärm eingestellt, bevor sie in diesen Teil der Stadt zog, sagt Weber.

 

Doch dass es in der Nachbarschaft laut wird, wenn zur Sperrstunde zwischen 5 und 6 Uhr Kneipen und Clubs in Stuttgart schließen, damit habe sie nicht gerechnet, sagt sie. „Um die Uhrzeit geht es plötzlich los im Bistro Schiller mit Heavy Metal“, sagt sie. Egal, ob sie abends früh ins Bett gegangen ist oder etwas später, weil sie aus war – sie erlebt das Schiller als einen zuverlässigen Weckdienst an Wochenenden. Anita Weber heißt in Wirklichkeit anders. Laut Polizei gibt es nachvollziehbare Gründe, warum die junge Frau mit ihrer Beschwerde nicht öffentlich bekannt werden will. Es habe in diesem Jahr bisher 20 Einsätze in oder vor dem Lokal gegeben, sagt ein Polizeisprecher.

Dabei sei es um Körperverletzung oder Diebstahl gegangen, aber nur einmal um Ruhestörung. „Das Lokal ist uns bekannt“, sagt der Polizeisprecher. Einzelne Besucher bereiteten die Probleme. „Natürlich kann eine Kneipe auch nicht in jedem Fall etwas dafür, was manche Gäste machen“, sagt der Sprecher. Im Vergleich zu anderen Gaststätten sei die Zahl der Einsätze aber hoch, meint er.

Heinrich betrieb Szenekneipe

Annie Heinrich hatte das Schiller bis in die 90er-Jahre geführt. Eine nahrhafte Fleischsuppe sei damals eine beliebte Stärkung gewesen, für jene, die sich im Stuttgarter Nachtleben verausgabt hatten, wird kolportiert. Heinrich verstarb 1997 im Alter von 99 Jahren. Ein anderer Gastronom führt heute das Bistro. Bei einem Besuch in dem Lokal ist er allerdings nicht im Dienst. Der Mitarbeiter hinter dem Tresen will keine Fragen beantworten. Er nimmt eine Visitenkarte entgegen und verspricht sie seinem Chef zu geben. Er wird allerdings dann nicht zurückrufen.

Der Barmann schüttet werktags gegen 11 Uhr morgens Ouzo in eine Cola und nimmt die Bestellung eines Energydrinks mit Wodka auf. Im Hintergrund läuft kein Heavy Metal, sondern Sting. „Roxanne“ ist bei geöffneter Tür schon auf der Höhe der benachbarten Tabledance-Bar Macabu & Four Roses zu hören. Die Sperrstunde ist kurz vor Mittag allerdings auch schon einige Stunden vorbei. Ein Gastronom aus dem Quartier moniert ebenfalls, dass das Schiller sich nicht an die gesetzliche Sperrzeit zwischen 5 und 6 Uhr halte und die Stadt nicht kontrolliere. „Es gibt viel Stress vor dem Lokal“, meint er. Er will allerdings seinen Namen nicht in der Zeitung lesen, schließlich gehe es um Kollegen im Viertel. – Martin Treutler, der Leiter der Gewerbe- und Gaststättenbehörde, erklärt, dass er bisher keine Beschwerden über das Lokal gehört hat. Die Aussagen der Polizei nehme er ernst. „20 Einsätze sind viel. Da stimmt offenbar etwas nicht“, sagt er.

Treutler erklärt, dass es in Stuttgart circa 50 bis 80 Lokale gibt, bei denen die Sperrzeit auf Null reduziert ist und die durchgehend öffnen dürfen. Das Bistro Schiller gehört allerdings nicht dazu. „Es liegt auch kein Antrag vor“, erklärt Treutler. Die Erlaubnis werde jeweils für ein halbes Jahr erteilt und nur nach Prüfung. „Wir sprechen unter anderem mit der Polizei darüber, ob ein Lokal auffällig ist, bevor wir eine Erlaubnis erteilen“, sagt Treutler.

Er werde die Polizei bitten, in der Zeit der Sperrstunde mal eine Streife an den Leonhardsplatz zu schicken, um die Vorwürfe zu überprüfen. Im Nachhinein ließen sich Verstöße gegen die Sperrfrist nämlich schwer ahnden, meint Treutler. „Wer mitbekommt, dass ein Laden zu dieser Zeit noch offen hat, sollte am besten gleich die Polizei rufen“, rät er.