Sie gehört zu einer aussterbenden Gattung: Die Eckkneipe ist ein Stück alte Welt, das zwischen Gin Tonic und Craft Beer sukzessive verloren geht. Die kleine Kneipe „Manno“ von Michaela König an der Ludwigstraße muss im Herbst nun schließen. Der neue Besitzer möchte Büroräume daraus machen.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

S-West - Aus Kneipen werden Lounges, statt einem einfachen, ehrlichen Bier gibt es dort mindestens Craft Beer oder Cocktails mit fancy-klingenden Namen. „Ich bemängle das, aber ich sehe schon, dass es da eben einen Strukturwandel gibt“, sagt Hans Heger aus dem Stuttgarter Westen. Der 67-Jährige geht seit mehr als 40 Jahren abends gerne nach nebenan ins „Manno“. „Da kann ich fast mit Hausschuhen hin“, sagt er und schmunzelt. Er schätzt die Authentizität in der kleinen Eckkneipe von Michaela König. Die Preisen seien „moderat“, für viele sie es wie ihr zweites Wohnzimmer dort, erzählt der Rentner bei einem Bier dort. „Die Michaela macht das auch so nett, es ist so familiär hier.“

 

Eine klassische Eckkneipe wollen auch viele Immobilienbesitzer nicht mehr haben

Seit Jahren heißt es, die klassische Eckkneipe sterbe aus. Und tatsächlich kommen immer weniger Gastronomen auf die Idee, eine schlichte Kneipe zu eröffnen, in der es in erster Linie Bier und Fußball gibt. Es lohnt sich oft auch nicht mehr. „Vieles wird ja auch wegmodernisiert“, glaubt Heger. Auch weil in Bezirken wie dem Stuttgarter Westen längst ein Bevölkerungsaustausch stattfinde. „Von den alten Westlern gibt es ja bald kaum noch welche.“

Der Westen ist inzwischen vor allem beliebt bei jungen Familien und die zählen nun mal selten zum klassischen Stammpublikum von einfachen Bierkneipen.

Auch Michaela König, die vor zwei Jahren das „Manno“ übernommen hat, steht vor dem Aus. Ihre Vermieterin hat die Räume verkauft, sie wurde gekündigt – auch weil es dauerhaft ein Lärmproblem gegeben hat. „Das war erst einmal ein Riesenschock“, erzählt sie. Sie habe gedacht, die Kneipe, das werde ihre Rente, da bleibt sie bis zum Schluss.

Für die Stammgäste ist das „Manno“ ihr zweites Wohnzimmer

Bis dahin ist es aber noch eine Weile. König ist 48 Jahre alt. Sie hat sich mit dem Manno gerade erst eine neue Existenz aufgebaut. Da hat sie viel Arbeit reingesteckt: „Ich habe mir quasi den Arsch aufgerissen, wie man so auf gut Schwäbisch sagt.“ Dabei laufe es gerade in den letzten Monaten „bombastisch“: „Millionärin wäre ich hier nicht geworden, aber das wollte ich ja auch gar nie.“ Trotzdem hat sie zeitweise sieben Tage die Woche geschuftet. Das Angebot bei ihr ist einfach: Zig Biersorten, Wurstsalat, ein Tagesgericht, ab und zu spielt eine Band oder es legt ein DJ auf. Sky habe sie natürlich auch, für Fußball. „Alles, was so eine richtige Boiz eben braucht“, sagt Michaela König.

Das ist ja auch gar nicht viel. Bei König gibt es keine gemütlichen Loungesessel, keine durchgestylte Ausstattung mit bewusst kahlgelegten Wänden und Designerlampen an der Decke. Es gibt einen altertümlichen Bartresen aus Holz, im hinteren Kneipenraum einfache, alte Holztische und Stühle, an den Wänden hängen Erinnerungen, Poster, ein paar Brettspiele stehen rum und ein altes Wählscheiben-Telefon, das seit dem Aufkommen von Mobiltelefonen wohl nur noch Deko-Funktion hat. Rustikal würde man das Ensemble wohl nennen. „Heimelig“, nennt es Hans Heger.

Aber genau dieses rustikale, urige lieben die Stammgäste der Kneipe. Die CDU-West trifft sich oft dort, die Stadtisten, die Fußball-Mannschaft vom SV Heslach, aber auch viele junge Menschen kommen gerne zu Michaela, ins Manno, das die Abkürzung für „Michaelas Anno“ ist. „Wegen meinen vielen Biersorten“, sagt sie.

Die Suche nach einem neuen Ort gestaltet sich schwierig – für die Gäste und die Wirtin

Anno hieß die Kneipe früher mal, seit 40 Jahren existiert sie unter wechselnden Pächtern. Im September ist es zu Ende an der Ludwigstraße 108. König ist in der Gastrobranche groß geworden, da wollte sie auch alt werden. Deshalb sucht sie nun etwas Neues, am liebsten im Westen, dort wohnt sie auch. „Ich bin schon viel mit meinem Moped rumgefahren“, sagt sie. Doch es gebe ja kaum mehr Angebote, vieles ist zu klein. Vieles passt auch einfach nicht in ihr Budget.

Eigentlich hätte sie das Manno gerne selbst gekauft. Das hatte sie ihrer Vermieterin auch schon lange angekündigt. Doch letztlich sei sie gar nicht gefragt worden. Allerdings gab es mit dem Manno auch immer wieder Probleme. Einige direkte Nachbarn klagten immer wieder über den Lärm. Vor allem an den Wochenenden, so berichten Anwohner, sei es oft bis spät in die Nacht zu laut gewesen – auch nachdem die Kneipe eigentlich längst geschlossen hatte. Verständnis habe man von Seiten der Wirtin aber stets vermisst. Die Polizei kam öfters, auch im Bezirksbeirat West wurde über die Problematik diskutiert; letztlich wurde die Sperrzeit für die Terrasse von 23 auf 22 Uhr verkürzt.

Heger findet es trotzdem schade. Denn grade erst hätte es doch eine „Renaissance der Michaela“ bei den jungen Leuten gegeben. „Die kommen gerne, wenn jemand abends so Platten auflegt“, sagt er. Wo er hingehen will, wenn es das Manno nicht mehr gibt? „Da bin ich noch auf der Suche“, sagt er, seufzt.