Nach dem ersten Jahr der Koalition zwischen CSU und Freien Wählern blicken Landtagspolitiker mit gemischten Gefühlen auf das Erreichte.

München - Seit genau einem Jahr regiert in Bayern eine schwarz-orange Koalition, und im Münchner Presseclub versuchen sich dieser Tage die Chefs der Landtagsfraktionen an einer ersten Bilanz. Aber nicht alle. Ausgerechnet die AfD, die sich dauernd beschwert, sie werde ausgegrenzt, sie fehlt. „Wir haben sie eingeladen wie alle anderen auch“, sagt Peter Schmalz als Hausherr im Presseclub: „Aber die AfD hat nicht reagiert, nicht mal auf Nachfrage.“

 

So bleiben denn die fünf Bürgerlichen unter sich; und so wird es auch eine gepflegte Diskussion, bei der CSU und Freie Wähler ihre geleistete Regierungsarbeit in den Himmel heben und die anderen drei – Grüne, SPD und FDP – tendenziell freundlich anmerken, was zum wirklichen Abheben noch alles fehle, nach „all dieser Symbolpolitik ohne Substanz“, nach den „vielen Ankündigungen, aber wenig Umsetzung“ und angesichts einer „für die drohende Konjunkturdelle nicht tauglichen Schönwetter-Agenda“.

Wobei: sogar die Grünen als die Wahlsieger von 2018, denen eine anfangs heftig widerstrebende CSU jene Umweltreformen abgenommen hat, die man infolge entgangener Regierungsbeteiligung nicht selber vornehmen konnte oder musste –, sie sind recht zufrieden mit dem Artenschutzpaket der Koalition. „Es war zwar nicht der ganz große Wurf“, sagt Ludwig Hartmann als Grünen-Fraktionschef: „Aber im Bienen-Volksbegehren hat die Bevölkerung die CSU dazu getrieben, und es hätte keiner gedacht, dass daraus eine so breite Umweltbewegung werden könnte.“

Eine Partei? Zwei Parteien?

Als deren „parlamentarischer Arm“ fühlen die Grünen sich heute. Und sie drängen nun auf eine Fortsetzung mittels Klimaschutzgesetz. Dazu hat sich die CSU bisher nicht bereit gefunden; man habe „zuerst auf den ordnungspolitischen Rahmen“ aus Berlin warten müssen“, verteidigt sich CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer. Aber spätestens Anfang 2020 werde auch Bayern sein Klimaschutzgesetz bekommen; bei den praktischen Maßnahmen sollten staatliche Behörden da sogar „Vorreiter“ sein.

Die Zusammenarbeit von CSU und Freien Wählern in der Koalition, eine Premiere in Bayern, klappt so geräuschlos, dass die Oppositionsparteien unken, faktisch regiere die CSU unter dem alles dominierenden Markus Söder weiterhin alleine; sie brauche halt, bei der Landtagswahl im Wortsinn dezimiert, lediglich einen Mehrheitsbeschaffer. Ideologisch standen sich beide Parteien immer schon äußerst nahe; die Freien Wähler haben ihre Identität bisher eigentlich nur aus persönlichen Rivalitäten um lokale Bürgermeisterposten bezogen, und die inhaltlichen Differenzen zwischen den beiden Parteien sind nicht größer, als sie es innerhalb der CSU selbst sind. Zwar versichert der Fraktionschef der Freien Wähler, Florian Streibl, „pflegeleicht“ sei man als Koalitionspartner nicht: „Man kennt die CSU und weiß, warum man bei den Freien Wählern ist.“ Viel mehr an eigenem Profil kann aber auch Streibl nicht liefern.

Die Aggressivität wächst

Immerhin können sich die Freien Wähler zugute halten, die CSU zur Abschaffung der bei lokalen Hausbauern furchtbar ungeliebten Straßenausbaubeiträge gedrängt und ein Kindergarten-Geld durchgesetzt zu haben, das die von der CSU schon vorab zugesicherten bayerischen Familienleistungen noch weiter in den Milliarden-Bereich vorangetrieben hat. Freie Wähler und CSU stellen sich folglich als „die große Familienkoalition“ dar; mehr Geld für Kinder und Pflege zahle kein anderes Bundesland. Woher dann auch noch die zwei Milliarden Euro kommen sollen, die Markus Söder im September für seine „High-Tech-Agenda“ angekündigt hat, ist noch nicht so klar zu sehen. Jedenfalls hat die Landesregierung für diese „unumgänglichen Zukunftsinvestitionen“ ihr vordem ehernes Ziel aufgegeben, Bayern bis 2030 schuldenfrei zu machen.

Und dann gibt’s nach dem ersten Jahr dieser Legislaturperiode auch jene Schattenseiten, auf die Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) hinweist – nicht ohne Sorge, wie sie betont: Mit dem Einzug der AfD ins Landesparlament sei das Klima dort „rauer und deutlich aggressiver“ geworden. Vier Rügen habe sie bereits aussprechen müssen, alle gegen AfD-Abgeordnete, wo doch selbst im mitunter recht deftigen bayerischen Landtag seit Jahrzehnten keine Rüge mehr nötig gewesen sei. Mittlerweile, beklagt Aigner, stießen „Beleidigungen und Entgleisungen“ aus den AfD-Reihen auch bei der Gegenseite auf „blanke Nerven“ und manche Überreaktion: „Ich rate allen zu Maß und Mitte und dazu, sich nicht provozieren zu lassen. Wir brauchen keine Dauerempörung, das stärkt nur die AfD.“ Man dürfe die Partei auch nicht „in ihrer Dauer-Opferrolle unterstützen“, sagt die Landtagspräsidentin. Man müsse die AfD „inhaltlich packen.“ Wenn diese sich – anders als im Münchner Presseclub – einem Gespräch überhaupt stellt.