Die Union wappnet sich dafür, dass die Sozialdemokraten nach möglichen Wahlschlappen die Koalition verlassen könnten. Auslöser für etwas Neues könnte aber auch die CDU-Chefin selbst sein.

Berlin - Annegret Kramp-Karrenbauer ist an diesem Donnerstabend zu Gast in Baden-Württemberg, wo ihre CDU mit den Grünen regiert. Die Parteivorsitzende sitzt auf der Anklagebank des Stockacher Narrengerichts und wird möglicherweise auch dazu befragt, wie sie sich eine schwarz-grüne Zukunft im Bund vorstellt. Zumindest diskutieren ihre Christdemokraten wieder eifrig über die Option, seit am Sonntag ein Doppelinterview von „AKK“ und Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt erschienen und ein Treffen mit FDP-Chef Christian Linder zwei Wochen zuvor bekannt geworden ist.

 

Im Konrad-Adenauer-Haus, der Parteizentrale im Berliner Bezirk Tiergarten, wird sofort abgewiegelt. „Wir stehen zu dieser Koalition und wollen sie zum Erfolg führen“, heißt es dort. Das Präsidiumsmitglied Mike Mohring, der in Thüringen dieses Jahr eine der drei wichtigen Ost-Landtagswahlen zu bestreiten hat, hält ebenfalls wenig von der parteipolitischen Strategiedebatte: „Politik soll sich nicht mit sich selbst, sondern mit den Problemen des Landes beschäftigen.“ Die Unionsparteien wollten daher weiter den Koalitionsvertrag abarbeiten und „2019 zum Jahr der Entscheidungen machen“, um nach den Eskapaden des Vorjahres „wieder Zutrauen“ zu schaffen – „ich gehe davon aus, dass es bei der SPD nicht anders ist“. Auch Unionsfraktionsvize Andreas Jung ist der Meinung, dass „die Bürger kein Verständnis dafür hätten, wenn wir bei jedem Windhauch wieder alles in Frage stellen“.

Halbzeitüberpüfung im Herbst als Sollbruchstelle

Das Aber folgt den Treueschwüren stets auf dem Fuß – schließlich sind sie in der Union schwer verärgert und laut Jung „nicht dauerhaft verheiratet mit der SPD“. Ein CDU-Regierungsmitglied, das nicht namentlich genannt werden will, beklagt, dass die Koalition „immer noch nicht richtig in die Pötte gekommen“ und „wenig Vertrauen zueinander“ entstanden sei. Ein Bundestagsabgeordneter beschwert sich, dass SPD-Minister ohne Vorabsprache Gesetzentwürfe präsentieren, die gar nicht oder in anderer Form im Koalitionsvertrag enthalten sind – zuletzt am Montag, als Justizministerin Katarina Barley mit dem Plan vorpreschte, Maklergebühren nicht länger dem Wohnungskäufer aufzubürden. In Kombination mit dem neuen Sozialstaatskonzept der SPD, der im Koalitionsvertrag angelegten Sollbruchstelle einer Halbzeitüberpüfung im Herbst dieses Superwahljahres und dem anhaltenden Groko-Unmut in Teilen der Sozialdemokratie sieht die CDU eine Situation auf sich zukommen, für die es sich zu rüsten gilt.

„Wir wollen gewappnet sein für den Fall, dass die SPD nach den Europa- oder Landtagswahlen die Koalition verlässt“, sagt der Stuttgarter Abgeordnete Stefan Kaufmann. „Das Jahr 2019 mit seinen vielen Wahlen steckt voller Prüfungen, und wir als CDU wissen insbesondere nicht, wie unser Koalitionspartner SPD daraus hervorgehen wird und welche Schlüsse er daraus zieht“, meint auch Fraktionsvize Thorsten Frei, „es ist daher ein Gebot der Klugheit, nicht unvorbereitet in den Herbst zu gehen und immer auch das Gespräch mit anderen Parteien zu suchen.“

Löst Kramp-Karrenbauer Merkel schon vorzeitig ab?

Bundesvize Thomas Strobl wünscht schon mal „gute Fahrt“, „wenn die SPD meint, die Flucht aus der Verantwortung hilft ihr“. Der stellvertretende Ministerpräsident im Südwesten erinnert gleich daran, dass er zu Beginn der Legislaturperiode „sehr für eine Jamaika-Koalition gearbeitet“ habe und „im Land gut und erfolgreich mit dem Grünen Winfried Kretschmann“ regiere – „ja, ich glaube, dass man mit den Grünen etwas hinkriegen kann“. Nötig ist dafür aus seiner Sicht, dass sie „ihre verbohrte Ideologie“ ablegen, etwa in der Frage sicherer Herkunftsstaaten.

In Vorgesprächen müsste freilich erst geklärt werden, ob die Umweltpartei, deren jüngstes Bundestagswahlergebnis von aktuellen Umfragen klar übertroffen wird, überhaupt Interesse hätte, ohne Neuwahlen in eine Koalition zu gehen. Die Liberalen glaubt die Union im Falle des Falles dagegen an Bord zu wissen. „Die FDP“, heißt es, „kann nicht nochmal Nein sagen.“

Dass eine Jamaika-Koalition nicht nur das Ergebnis eines sozialdemokratischen Regierungsrückzugs sein könnte, wird in der Union dagegen weniger offen diskutiert. Viele in der Partei halten es aber für durchaus denkbar, dass Annegret Kramp-Karrenbauer deutlich vor Ende der Legislaturperiode 2021 den Zeitpunkt für gekommen halten könnte, Angela Merkel auch im Kanzleramt nachzufolgen, um mit einem gewissen Amtsbonus in die nächste Wahl zu gehen. Wer ihr den verschaffen würde, ist die Frage. Sie sehe Koalitionsfragen „sehr pragmatisch“, sagte die CDU-Chefin im Interview mit der „Bild am Sonntag“.