Die Union stilisiert den Konflikt um die doppelte Staatsbürgerschaft zu einem Symbolthema. Ärger verursacht ein Vorstoß dreier Bundesländer, in denen die SPD mitregiert, darunter Baden-Württemberg..

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Der Konflikt hat eine lange Vorgeschichte. Er beginnt mit der Karriere des CDU-Mannes Roland Koch, einer Reizfigur für viele Sozialdemokraten. Der verdankte seinen Aufstieg zum hessischen Ministerpräsidenten – einem Amt, das er elf Jahre bekleidet und seit nunmehr fast vier Jahren schon nicht mehr inne hat – dem Kampf gegen die doppelte Staatsbürgerschaft. Selten werden politische Differenzen so erbittert ausgetragen, wie es damals der Fall war.

 

Vor diesem Hintergrund lässt sich ermessen, warum die Koalitionspartner Union und SPD so verbissen um drei Zeilen in ihrem Regierungsprogramm streiten. Es geht dabei um die doppelte Staatsbürgerschaft, die „in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Kindern ausländischer Eltern“ künftig generell ermöglicht werden soll. Ärger verursacht ein Vorstoß dreier Bundesländer, in denen die SPD mitregiert, darunter Baden-Württemberg. Er verkämpft sich für einen Doppelpass ohne die zweite der genannten Bedingungen. CDU-Innenminister Thomas de Maizière hat unterdessen einen Gesetzesentwurf auf den Weg gebracht, der diese Bedingung konkreter fasst: Einen Doppelpass sollen nur Ausländerkinder erhalten, wenn sie bis zum 23. Geburtstag zwölf Jahre in Deutschland gelebt haben, vier davon zwischen dem 10. und 16. Lebensjahr. Alternativ reicht ein deutscher Schulabschluss.

„SPD will regieren und opponieren zugleich“

Für den CDU-Vize Thomas Strobl ist dieses Konfliktthema ein Prüfstein für die Regierungstauglichkeit der Koalition. Er pocht auf de Maizières Konditionen und empört sich über die Absetzbewegungen in der SPD „Wir wollen nicht, dass der deutsche Pass quasi auf der Durchreise zu bekommen ist“, so Strobl zur Stuttgarter Zeitung. Die Sozialdemokraten seien offenbar uneins. Es könne aber nicht sein, „dass die SPD gleichzeitig in Berlin mitregiert und aus den Ländern heraus Opposition betreibt“. Wegen der Quertreiberei aus den Reihen der SPD habe er „Sorge um die Koalition“. Strobl fordert: „Da muss Herr Gabriel Ordnung schaffen.“ Er erhoffe sich vom SPD-Chef „ein bisschen mehr Autorität“.

Er frage sich, warum Sozialdemokraten ein Interesse daran hätten, in der großen Koalition, die ohnehin wegen der Edathy-Affäre schon in einer schwierigen Lage sei, Zwietracht zu säen. Wenn die SPD den Vorstoß aus den Ländern unterstützen würde, betont Strobl, „dann wäre die Koalition beendet“. Er unterstreicht die prinzipielle Bedeutung des Konflikts: „Hier geht es nicht um eine Marginalie, die Staatsbürgerschaft ist für uns eine Grundsatzfrage“.

„Diabolisches Bild von den Migranten“

Die SPD warnt hingegen davor, eine neue Einbürgerungsbürokratie aufzubauen. Um die vom Innenminister skizzierten Voraussetzungen für einen Doppelpass zu überprüfen, müssten die Behörden einen enormen Aufwand betreiben. Die Kriterien seien „nicht schlüssig“, betont Michael Hartmann, innenpolitischer Sprecher der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion. Da werde „ein bürokratisches Ungetüm“ geschaffen. Strobl widerspricht: „Wir erheben ja keine unmenschlichen Forderungen – Zeugnis zeigen genügt“, sagt er, „schließlich geht es ja auch um ein hohes Gut: Wir wollen die Staatsbürgerschaft keinem gewähren, der im Zweifel dieses Land gar nicht kennt.“

Aus Sicht der SPD taugten die Meinungsunterschiede keineswegs als Munition für eine Koalitionskrise. „Ich sehe keinen Grund zu unziemlicher Aufgeregtheit“, sagt Michael Hartmann. Jetzt sei der Innenminister in der Pflicht, praxistaugliche Kriterien für die Vergabe des Doppelpasses zu entwickeln. Die Bedeutung, welche die CDU dem Thema bemesse, zeuge von einem „diabolischen Bild“ von den Migranten. Ungeachtet dessen hofft Hartmann, das strittige Gesetz noch vor Ostern aufs Gleis zu bringen.