Rein theoretisch sind vier Koalitionsmodelle in Hessen denkbar. Aber nur drei sind realistisch. Grüne und SPD haben sich noch nicht festgelegt, ob sie mit den Christdemokraten koalieren.

Wiesbaden - Die Grünen in Hessen wollen eine Koalition in Wiesbaden und keine Tolerierung einer Landesregierung. Die SPD hingegen schließt weder das eine noch das andere aus, strebt aber ebenfalls eine „stabile und verlässliche“ Landesregierung an: Eine Woche nach der Landtagswahl kommt etwas Bewegung in die „hessischen Verhältnisse“. Auf getrennten Sitzungen haben die Führungsgremien sowohl der Sozialdemokraten als auch der Grünen am Samstag den Weg für Gespräche mit allen anderen Landtagsparteien freigemacht. Noch in dieser Woche könnten sich die Hauptkontrahenten des zurückliegenden Wahlkampfs, Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) und SPD-Herausforderer Thorsten Schäfer-Gümbel, zu einer ersten Unterredung treffen.

 

Unisono betonen Thorsten Schäfer-Gümbel und Grünen-Landeschef Tarek Al-Wazir am Samstag, es gebe in beiden Parteien noch keinerlei Festlegung auf einen möglichen Partner. Die anstehenden Gespräche würden gleichberechtigt und ergebnisoffen geführt, es komme vor allem auf die Inhalte an.

Zum dritten Mal in der Geschichte des Landes hat der Wähler am 22. September „hessische Verhältnisse“ ohne klare Mehrheiten im Parlament geschaffen. Ähnlich wie im Bund sind die Wunschkonstellationen der beiden Lager, Schwarz-Gelb oder Rot-Grün, rechnerisch gar nicht möglich. Ernsthaft in Frage kommen nur eine große Koalition aus CDU und SPD, eine schwarz-grüne Landesregierung nach dem Vorbild der Stadt Frankfurt oder Rot-Rot-Grün unter Einschluss der Linkspartei. Eine theoretisch denkbare Ampelkoalition aus SPD, Grünen haben die Liberalen schon vor der Wahl kategorisch ausgeschlossen. Nach der am Ende noch haarscharf gesicherten Rückkehr in den Landtag mit genau 5,0 Prozent will die FDP jetzt in die Opposition gehen.

Schäfer-Gümbel: Jeder muss über seinen Schatten springen

Hessen stehe vor einer schwierigen Regierungsbildung, sagt Schäfer-Gümbel nach den dreistündigen Beratungen des SPD-Landesparteirats in Frankfurt. „Jede politische Kraft muss über ihren Schatten springen und bisherige Grenzziehungen überwinden“, heißt es in dem einstimmig verabschiedeten Beschluss der Sozialdemokraten. Die Stimmung in der SPD sei gut, betont Schäfer-Gümbel, schließlich habe sie rund sieben Prozentpunkte zugelegt und gehe selbstbewusst in die Gespräche. Erst will die Partei mit der CDU reden, dann mit Linken und FDP. Aber wohin die Reise geht, bleibt unklar: „Das Ergebnis ist definitiv offen“, versichert der SPD-Chef.

Offiziell seien es nicht einmal Sondierungen, geschweige denn Koalitionsverhandlungen. Über deren Aufnahme soll der Landesvorstand spätestens bis zum 1. November entscheiden. Da der alte Landtag noch dreieinhalb Monate im Amt bleibt, sieht die SPD keinen Grund zur Eile. Sowohl sie als auch die Grünen nennen aber als Ziel eine Regierungsbildung bis zur konstituierenden Sitzung des neu gewählten Parlaments am 18. Januar 2014. Der sonst drohende „Zustand einer abgewählten, aber geschäftsführenden schwarz-gelben Landesregierung ohne Mehrheit im Parlament ist nicht erstrebenswert“, heißt es im Beschluss der Grünen.

Laut Al-Wazir wollen er und Spitzenkandidatin Angela Dorn sowohl mit der CDU als auch der Linken „ernsthaft sondieren“, ob eine Zusammenarbeit möglich sei. Die Grünen seien aber dafür gewählt worden, einen inhaltlichen Politikwechsel herbeizuführen. Als Kernpunkte nennt er Energiewende, Bildungs- und Betreuungsgarantie. Schulfrieden, Fluglärmschutz und mehr Bürgerbeteiligung. Die Linke müsse klären, wie sie zur Schuldenbremse stehe. Dass der Linken-Landeschef gerade noch einmal die Abschaffung des Landesamts für Verfassungsschutz gefordert habe, sehen weder Schäfer-Gümbel noch Al-Wazir als hilfreich an. Die Spitzenkandidatin der Linkspartei, Janine Wissler, bekräftigt ihre Bereitschaft für Rot-Rot-Grün

Der CDU-Generalsekretär Peter Beuth hat SPD und Grüne ausdrücklich dafür gelobt, dass sie das Gesprächsangebot Bouffiers angenommen haben.