Von wegen gestalten: Grüne und CDU haben nach einem gemeinsamen Kassensturz erkannt, dass die Landeskasse klamm ist – und sie kleine Brötchen backen müssen. Das weckt Unmut aufseiten der Christdemokraten.

Stuttgart - Vor der Stuttgarter L-Bank stehen zwei Blondinen beim Plausch. Sie scherzen wie alte Freundinnen. Dabei haben hier gerade die Grünen-Landesvorsitzende Thekla Walker und CDU-Generalsekretärin Katrin Schütz zueinandergefunden. Ihre Arbeitsgruppen tagen schon seit dem Vormittag, jetzt machen sie Pause, Zeit für ein paar freundliche Worte.

 

Drinnen schickt sich gerade der frühere Fraktionschef Peter Hauk zum Gehen an. Auch seine Arbeitsgruppe „Ländlicher Raum“ war schon zu Gange. Und Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer schultert seinen Rucksack, weil seine Umwelt-AG ihr Tagwerk ebenfalls schon erledigt hat. Wie die Stimmung war? „Gut“, sagen beide im Brustton der Überzeugung. Man hört nur freundliche Worte. So schnell kann der Wechsel vom Wahlkampf- in den Koalitionsmodus gehen.

Die CDU bangt um ihren Wunschzettel

Doch die Szenen täuschen gewaltig. Denn schon am Nachmittag bricht bei der Tagung der großen Koalitionsrunde, in der zwei Mal 18 Vertreter sitzen, der dünne Firnis der Freundlichkeit auf. CDU-Chef Thomas Strobl, gewandet in grüne Trachtenjoppe mit grünem Einstecktuch, bekundet zwar gute Laune, ehe er die Tür schließt. Doch drinnen scheint sie ihm vergangen zu sein. Denn was der Chef der Haushaltsabteilung im Finanzministerium an Zahlen auf den Tisch legt, lässt viele Ausgabenträume der Christdemokraten platzen. Das Landesbetreuungsgeld zum Beispiel. Oder die versprochenen 1500 Polizeistellen. Oder die Wahlfreiheit zwischen G8 und G9. Wer soll das alles bezahlen angesichts von 2,7 Milliarden Euro strukturellen Defizits, das von 2017 an im Etat klafft?

„Ich war schon ein bisschen ernüchtert über die Nachhaltigkeitslücke“, sagt CDU-Fraktionschef Guido Wolf nach der dreistündigen Beratung. Die neue Koalition habe doch auch einen Gestaltungsanspruch, so der Christdemokrat, und es reiche nicht, die alten Projekte weiter zu finanzieren. Parteichef Strobl nennt das Treffen zwar „historisch“, warnt aber auch, die Verhandlung „kann, muss aber nicht in eine Koalition münden“. Man müsse eben überlegen, wo man den neuen Haushalt abspecken kann, etwa im Kultusressort oder anderen Ministerien mit großen Volumina. Eventuell werde man auch den Rechnungshof bitten, den Parteien Vorschläge für Einsparungen zu machen.

Ärger über das „üppige Vesper“ von Grün-Rot

„Es wird nicht alles möglich sein, beide Seiten werden abspecken müssen“, sagt Grünen-Landeschefin Thekla Walker. Gleichzeitig solle das Land aber auch innovativ bleiben. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagt: „Es ist wichtig, dass wir die Debatten der Vergangenheit nicht fortsetzen.“ Er erwähnt das nicht von ungefähr, denn in der Sitzung ist es wohl zu deutlichen Unmutsbekundungen der Christdemokraten gekommen. Es könne doch nicht sein, dass Grün-Rot die ganzen Einnahmen vervespere und dann den Nachfolgern nichts mehr übrig lasse, sagt ein CDU-Teilnehmer anschließend.

Noch-Finanzminister Nils Schmid (SPD) hatte schon im Februar einen Kassensturz gemacht und dabei ein düsteres Bild der Haushaltslage gemalt. Auch dieses Zahlenwerk hat man nun zu Rate gezogen. Man habe zwar schon strukturell gespart, heißt es darin, so etwa bei der Beamtenbesoldung, bei Lehrerstellen und bei Zinsen, doch das reiche noch nicht annähernd, um die Lücken im Haushalt zu schließen. Schon gar nicht angesichts der drastisch gestiegenen Kosten für die Flüchtlinge. Ja, es gebe noch Rücklagen, doch es gebe eben auch einen Sanierungsstau bei Straßen und Gebäuden. Und dann die Risiken: Der Kauf der EnBW-Anteile könne den Landeshaushalt ebenso belasten wie der Hochwasserschutz.

Der Bund der Steuerzahler mahnt bereits

Kretschmann ergänzt am Mittwoch, auch der vom Bund aufgelegte Fonds zur Stabilisierung des Finanzmarktes werde das Land Geld kosten: weitere 1,1 Milliarden Euro. Nun hätten alle einen realistischen Blick für das Machbare. Angesichts dessen will eine kleine Koalitionsrunde am Freitag erste Sparvorschläge beraten.

Der Bund der Steuerzahler mahnt unterdessen die künftigen Koalitionäre von Grünen und Christdemokraten zu finanzpolitischem Realismus. „Die Konsequenz aus einer ehrlichen Analyse kann nur lauten: Im Mittelpunkt der nächsten Legislaturperiode muss eine strikte Haushaltsdisziplin stehen“, teilte der Verband zum Auftakt der Gespräche mit.