Auf dem Weg zu einer gemeinsamen Regierung war die Zukunft der Gemeinschaftsschule ein großer Streitpunkt zwischen Grünen und CDU. Strobl hält die Kompromisse noch nicht für in Stein gemeißelt.

Stuttgart - Der Kompromiss zwischen Grünen und CDU in der Bildungspolitik stößt CDU-intern auf Kritik. „Vor allem über die Schaffung weiterer Gemeinschaftsschulen und einer begrenzten Zahl von Gemeinschaftsschulen mit gymnasialer Oberstufe gibt es bei uns an der Basis eine große Unzufriedenheit“, sagte der Bezirksvorsitzende der CDU Nordwürttemberg, Steffen Bilger, „faz.net“ (Dienstag). Die Koalitionäre in spe wollen neue Gemeinschaftsschulen zulassen. Auch die Einrichtung einer gymnasialen Oberstufe an Gemeinschaftsschulen soll möglich sein, aber nur an zehn Schulen in der Legislaturperiode.

 

„Auch nach den kritischen Stimmen bei der Basiskonferenz sollten wir über den Kompromiss auf Arbeitsebene noch einmal reden“, sagte Bilger der „Südwest Presse“ (Dienstag). Bei einer Basiskonferenz seines Bezirksverbands am Samstag hatte eine Reihe von CDU-Mitgliedern die mögliche Ausweisung neuer Gemeinschaftsschulen, aber auch die Einrichtung von gymnasialen Oberstufen kritisiert. Der Kompromiss in der Bildungspolitik dürfte auch Thema bei der CDU-Fraktionssitzung am Dienstag sein. Die CDU war im Landtagswahlkampf gegen die von Grün-Rot eingeführte Gemeinschaftsschule Sturm gelaufen.

„Gemeinschaftsschule nicht unsere bildungspolitische Überzeugung“

Der Landesvorsitzende der Jungen Union, Nikolas Löbel, sagte der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag: „Das Modell der Gemeinschaftsschule entspricht nicht unserer bildungspolitischen Überzeugung. Meine Idealvorstellung wäre auch gewesen, dass wir keine neuen Gemeinschaftsschulen bekommen.“ Aber in Koalitionsverhandlungen seien Kompromisse gefragt. Löbel verwies darauf, dass die CDU im Gegenzug eine Stärkung der Realschulen durchsetzen konnte. „Und angesichts von fast 300 Gemeinschaftsschulen, die es bereits gibt, wird sicher keine ganz große neue Welle dazukommen.“ Am Ende der Verhandlungen müssten alle Ergebnisse gemeinsam bewertet werden.

Unterdessen kam der kleine Verhandlungskreis von Grünen und CDU am Dienstagmorgen in Stuttgart zusammen, um über die strittigen Themen weiterzuverhandeln. Dazu gehören dem Vernehmen nach die Frage, ob sich das Land offen für Gespräche über die Übernahme von Mehrkosten für das Bahnprojekt Stuttgart 21 zeigen soll, die Einführung einer Gesundheitskarte für Flüchtlinge und das von der CDU geforderte Verbot einer Vollverschleierung („Burka-Verbot“). Die Gespräche sollen Ende April abgeschlossen sein, damit die Parteitage von Grünen und CDU Anfang Mai über den Koalitionsvertrag abstimmen können.

Strobl: Kompromisse noch nicht in Stein gemeißelt

CDU-Landeschef Thomas Strobl hält die CDU-intern umstrittenen Kompromisse in der Bildungspolitik noch nicht für in Stein gemeißelt. Grundsätzlich könne es passieren, dass die Ergebnisse aus den grün-schwarzen Arbeitsgruppen in der kleinen Verhandlungsgruppe auch wieder streitig gestellt würden. „Nichts ist beschlossen, bevor nicht alles beschlossen ist“, sagte Strobl am Dienstag nach den Beratungen mit den Grünen in Stuttgart.

Die Grünen warnten am Dienstag davor, den Kompromiss der Arbeitsgruppe leichtfertig infrage zu stellen. „Das hat schon alles Hand und Fuß, was da von den Gruppen eingebracht wurde“, hieß es.

CDU-Bildungsexperte Georg Wacker, der die AG Bildung für die CDU leitete, sprach von einem tragfähigen Kompromiss, in dem sich das Realschulkonzept der CDU zu hundert Prozent wiederfinde. „Die Realschule wird in Zukunft eine stark differenzierte Schulart. Daneben haben die Gemeinschaftsschulen die Option, sich pädagogisch zu öffnen.“ Zugleich äußerte er aber Verständnis für die Kritik, die es zum Teil in der Partei gibt. Die CDU-Basis habe noch das Regierungsprogramm vor Augen, mit dem die CDU Wahlkampf gemacht habe.

Grüne und CDU verhandeln in Baden-Württemberg derzeit über die bundesweit erste grün-schwarze Landesregierung. Bei der Landtagswahl am 13. März hatten die Grünen die CDU erstmals in Deutschland überhaupt als stärkste politische Kraft überholt.