Kochen ist in – im Fernsehen und zu Hause. Bei Cookasa kommen Fremde in einer Wohnung zusammen und kochen füreinander ein Menü. Auch in Stuttgart.
Stuttgart - Junge Köche wie Tim Mälzer machen es vor. Kochen ist nicht spießig, sondern cool. Anderen dabei zuzuschauen auch. Mehr als 2000 Folgen der Sendung „Das perfekte Dinner“ sind in den vergangenen acht Jahren über die Bildschirme geflimmert, und ein Ende ist nicht in Sicht. Für köchelnde C-Promis, die Einblick in ihre Wohnung gewähren, ist die Sendung eine Chance, im Gespräch zu bleiben.
Doch was wäre eigentlich, wenn man nicht nur auf dem Bildschirm in fremde Wohnungen spickeln könnte? Das wollte Marianne Lauerwald wissen. Zusammen mit ihrem Arbeitskollegen Marcus Schrade hat sie sich bei Cookasa angemeldet. Die Internet-Plattform bringt kochwillige Unbekannte in einer Wohnung zusammen. Jeweils ein Zweierteam bereitet einen Gang zu. Marianne und Marcus sind per Zufall als Gastgeber und Chefköchin ausgelost worden. Das bedeutet, sie werden bekocht – Marcus stellt dafür Küche und Wohnung zur Verfügung, Marianne ist für Abrechnung, Organisation des Abwaschs und die Erinnerungsfotos verantwortlich.
Im Gegensatz zum Jumping oder Running Dinner, bei dem für jeden Gang die Wohnung gewechselt wird und immer neue Gruppierungen aufeinandertreffen, bleibt die achtköpfige Kochtruppe bei den Cookasa-Events den ganzen Abend in derselben Konstellation in einer Wohnung.
Die Idee ist in einer Bremer Kneipe entstanden
18 Uhr: Marianne und Marcus sind ein bisschen nervös. Eigentlich sollte es jetzt losgehen. Doch die Gäste, von denen sie weder Namen noch Gesicht kennen, sind fünfzehn Minuten im Verzug. Marianne nimmt es mit Humor: „Zur Not bestellen wir Pizza.“ So weit kommt es aber nicht. Team Vorspeise trifft ein. Monika Böhme und Mareike Schwab waren vom ersten Stuttgarter Cookasa-Event im Dezember so begeistert, dass sie sich die zweite Auflage nicht entgehen lassen wollten. Dieses Mal bereiten sie die italienische Vorspeise Bruschetta zu.
Die Cookasa-Homepage gibt es erst seit drei Monaten, gekocht wird aber schon viel länger. „Die Idee hatten wir 2011 abends in einer Bar in Bremen“, erzählt André Wollin, der Cookasa zusammen mit Elena Abad, Sven Reher und Kersten Scholz betreibt. Ein Testlauf bei ihm zu Hause war ein Erfolg: Die Teilnehmer wurden über das soziale Netzwerk Facebook rekrutiert. „Das war ein super netter Abend“, sagt André Wollin. Auf den ersten Abend in Hamburg folgten weitere, bald trafen sich Cookasa-Kochfreunde auch in München und Berlin. Die Größe der Stadt ist aber nicht entscheidend: „Cookasa kommt dahin, wo sich Interessenten finden und sich melden“, sagt André Wollin, der sein Konzept bald auch im Ausland bekanntmachen möchte. In Stuttgart war Christian Walgenbach der Initiator. Ehrensache, dass er auch beim zweiten Stuttgarter Event mitmacht. Zusammen mit Martina Haffner ist er für die Hauptspeise verantwortlich. Es gibt ein Curry aus Spinat, roten Linsen und Kürbis, denn Christian ist Veganer.
Beim gemeinsamen Kochen lernt man schnell neue Leute kennen
18.40 Uhr: Zusammen mit Team Vorspeise stürzen sich Martina und Christian in die Küche. Erst mal orientieren. Wo sind Töpfe, Sieb und Dosenöffner? Schnell sind beide Teams ein Team, schließlich geht es viel schneller, wenn einer alle Zwiebeln hackt, während der andere dem Kürbis zu Leibe rückt und der dritte Linsen einweicht. Kaum zu glauben, dass sich die acht Hobbyköche vor einer Stunde noch nicht kannten. Es wird geschnippelt, gebrutzelt, und abgeschmeckt, nebenbei bleibt Zeit für ein Schwätzchen und einen Schluck Wein. Die Küche verwandelt sich in eine kleine Sauna – in dem kleinen Raum der Zweizimmerwohnung in Heslach gibt es kein Fenster, und der Dunstabzug ist einer derartigen Küchenschlacht nicht gewachsen.
Das Drei-Gänge-Menü kostet gerade mal 7,50
Daran stören tut sich keiner – im Gegenteil. Das ist Cocooning pur: Das Wort steht für den Rückzug aus dem stressigen Alltag ins gemütliche Heim und die Rückbesinnung auf die kleinen Freuden des Lebens, also Familie, Freunde und Hobbys. Zusammenrücken und trotzdem etwas unternehmen, ohne viel Geld dafür auszugeben: gemeinsam kochen ist Luxus fast für umme. Gerade mal 7,50 Euro pro Nase kostet das Drei-Gänge-Menü an diesem Abend.
19.30 Uhr: Zeit für Bruschetta und Gemeinsamkeiten. Während die Vorspeise serviert wird, plaudert die Runde über Australien, den nächsten Skiurlaub und die Frage, ob es moralisch vertretbar ist, Billigflieger zu nutzen. Während die Gastgeber Wein nachschenken, geben Christian und Martina in der Küchensauna noch mal Gas: Der Linseneintopf wird mit Kurkuma und Chili abgeschmeckt. Ihr Einsatz lohnt sich. Was anfangs belächelt wurde, kommt gut an: „Das ist schön scharf und macht richtig satt“, müssen selbst die Fleischesser anerkennen. Martina ist ohnehin froh, dass Christian das Rezept mitgebracht hat. „Ich koche weniger, eigentlich backe ich lieber“, verrät die 27-jährige angehende Lehrerin. Bei Cookasa hat sie sich vor allem der Geselligkeit wegen angemeldet: „Ich wohne erst seit zwei Wochen in Stuttgart.“ Gemeinsames Kochen und Essen sei die perfekte Gelegenheit, neue Leute außerhalb des Kollegenkreises kennenzulernen.
21 Uhr: Team Nachtisch hat die Küche für sich. Während Sebastian Klimpke, mit 42 Jahren der Älteste der bunt zusammen gewürfelten Kochgruppe, Sauerkirschen flambiert, schneidet Hülya Al den Kuchen in Würfel, den die beiden schon am Nachmittag zusammen gebacken haben. „Ich kenne zwar genügend Leute in Stuttgart“, sagt die Sozialpädagogin, die nebenberuflich türkische Kochkurse an der Volkshochschule leitet, „aber meine Freunde kochen nicht so gern, und ich suche eine Kochgruppe.“ Zusammen mit ihrem Kochpartner serviert sie Schokoladenkuchen, Panna cotta und drei verschiedene Fruchtspiegel. Bis Hülya Al als Profi noch etwas dazulernt, wird sie wohl noch ein paar Runden mitkochen müssen – zunächst einmal hat sie Christian versprochen, ihm türkische vegane Rezepte zuzumailen.