Die wundervolle Kölner Band Erdmöbel ist wieder unterwegs, kommt von drauß‘, vom Walde her – und möchte uns einfach anders singen: es weihnachtet, Leute.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Stutttgart - Wie man es eher nicht macht mit der Pflege des Weihnachtslieds, hat auf symbolischen 24 Seiten gerade die niederösterreichische Landesregierung im Heft „Stiller Advent“ unter Beweis gestellt. Abgedruckt wurden dort, neben Gedichten, Bastelanleitungen und Weihnachtsliedern mit Noten und Text, mehr oder weniger herzige Einlassungen der Verantwortlichen unter dem allweil fromm tuenden Ministerpräsidenten Erwin Pröll von der ÖVP. Reine Selbstfeier, hauptsubventioniert vom österreichischen Steuerzahler und ohne jede Musik drin. Die Stimmung vor Ort: entsprechend mau bis gereizt.

 

Im Cannstatter Clubcann in der Kegelenstraße hingegen stehen an diesem Freitag die Zeichen richtig auf Party, wenn die westfälische, aber in Köln verankerte Band Erdmöbel gastiert und gewissermaßen von drauß‘ vom Walde her einkehrt, um wieder einmal eines ihrer sehr speziellen Weihnachtskonzerte zu zelebrieren. Die Männer um den Sänger und Schriftsteller Markus Berges (letzter Roman: „Die Köchin von Bob Dylan“, Rowohlt) kommen dabei in der Absicht vorbei, Weihnachten wieder zu einem Fest zu machen, dass bitte ein bisschen hinausgehen soll über den ostinaten Brummelton des „Ich- kann-eh-nicht-singen-muss-aber: Also gut. ,Stille Nacht‘“. Nein, denkt Markus Berges. Das Gegenteil müsste doch der Fall sein. Engländer und Amerikaner drehen die Musik richtig auf zu Weihnachten, also kann der Anlass es womöglich vertragen, zumindest ein wenig ankarnevalisiert zu werden. Alle Jahre auf und nieder.

Mit Wham hat alles angefangen

Wie das ausschaut in der Praxis, daran basteln Erdmöbel, eines der gleichzeitig ver-/entrücktesten und lebensnahesten Ensembles der deutschen Musiklandschaft, seit vielen Jahren, genau genommen seit 2007, als direkt mal mutig „Last christmas“ von Wham, also der Über-Weihnachtspopsong schlechthin, gleichzeitig in Musik und Szene gesetzt wurde: kleiner wollten sie’s nicht. Im Video sah man dazu etwas aufscheinen, was dem Original fehlte: Ambivalenz. Einerseits brannte tatsächlich der Baum, während die Kinder das Sofa als Trampolin nutzten („das Jahr ist schwer und alt,/uns ist so leer und kalt“), andererseits machte sich dann doch wieder so etwas wie ein Schimmer Hoffnung breit: nach dem Motto des britischen Musikers Bill Fay, „Life is people“, glühten am Ende schon wieder kollektiv die Wunderkerzen.

Echte Weihnachtsmisanthropie jedenfalls sähe ganz anders aus, und so haben Erdmöbel zwar schon einen Blick auf die Fußgängerzone geworfen, die ja gerade in Köln als Hohe Straße ultralang ausfällt („Mit den Schätzen des Orients schwer beladen steht du da…“), halten aber auch, um jeder falschen Idyllik vorzubeugen, mit Kritik nicht hinterm Berg(es): „Billig ist doppelt gekauft…“. Was die eine Welt sich bei der anderen, der sogenannten Dritten, besorgt, ohne dafür richtig zu bezahlen oder überhaupt nur drüber nachzudenken, ist ein Thema, das Markus Berges auch auf anderen Einspielungen beschäftigt: niemand schließlich ist eine Insel. Wobei Konsum- und Kapitalismuskritik bei Erdmöbel immer sublim, aber stets deutlich ausfällt: „Diese Nacht ist in Shenzhen oder Guangzhou gemacht/Dieser Kuss in tausend Containern hergebracht.“

Wie treu sind deine Blätter?

Über die Jahre und richtiggehend methodisch mit den Mitteln des Weihnachtsliedes, das ja immer etwas Heimeliges, gleichzeitig aber auch menschlich Unbehaustes zum Thema hat, ist 2014 ein ganzes Album zusammengekommen, das folgerichtig „Geschenk“ heißt. Zwischendurch war es mal vergriffen, seit letztem Jahr aber ist es, um drei Songs ergänzt, wieder frisch verpackt. Gebündelt unterm knittrigen Geschenkpapier finden sich da zum Beispiel ein Stück wie „Lametta“, das die Negation mit dem alten, tendenziell gedankenlosen Jubel verbindet („Ich habe Weihnachten vergessen/Wie treu sind deine Blätter?“) und die Geschichte von „Fräulein Frost“, die erhebliche Verbindungslinien zu Dylans „Just like a woman“ aufweist. Es kommen allzeit unterschätzte, aber fest zum Erdmöbel-Sound gehörende Instrumente wie Posaune und Mandoline zum Einsatz, und, wie das so sein kann zu Weihnachten, fährt ein Bus in den Graben, der Räumdienst kommt und im Feuerzeug ist nur noch ein allerletzer Tropfen Benzin. Mal munter, mal melancholisch glucksen die Heizkörper von Murmansk vor sich hin. Kurz gesagt: man erlebt mit Erdmöbel zu Weihnachten wohltuenderweise Dinge, die sich sonst unter deutschen Dächern und Nordmanntannen wohl eher nicht abspielen. Aber: hören Sie selbst!