Die Kulturinsel Stuttgart bringt „König Ubu“ als Oper im Genre des Hip-Hop-Stils Trap auf die Bühne. Das ist teils anstrengend, aber sehenswert.

Stuttgart - Den Reichtum einer Gesellschaft“, sagt der Funktionär der Schwerindustrie, „misst man an ihrer Fettleibigkeit. Übergewicht ist ein Zeichen des Wohlstandes.“ Der Beweis sitzt auf dem Thron, der eine verschmierte Toilettenschüssel ist: „Monstrum Ubu“, mit leerem Blick, in weißer Anstaltskleidung, seines Hirnes beraubt, das dem Funktionär an einer Schnur um den Hals baumelt.

 

Der Funktionär schneidet ein Stück Kuchen, reicht es Ubu, der es besinnungslos mit den Händen in sich hineinstopft; der Funktionär holt ein Wiener Würstchen aus dem Glas, reicht auch dies dem Herrscher, der weiter stopft, dem Nahrungsmittel aus dem Mund und auf den Boden klumpen. Im Hintergrund die Bilder hungernder Kinder Afrikas, mager bis auf das Skelett, Haut und Knochen, ihre Blicke. Stille herrscht bei dieser Szene inmitten eines sonst sehr lauten Stückes, nur das Surren des Elektromessers, das den Kuchen teilt, liegt in der Luft.

Tobias Frühauf und Philipp Wolpert, das junge Team, das Alfred Jarrys „König Ubu“, den Klassiker des antibürgerlichen Theaters schlechthin, auf der Kulturinsel Stuttgart als Oper im Genre des Hip-Hop-Stils Trap auf die Bühne bringt, haben nichts ausgelassen, um die Dekadenz des Wohlstandes, die Willkür des Populismus ganz und gar unappetitlich aussehen zu lassen. Das freilich ist schon in Jarrys Vorlage angelegt: „Scheitze!“, brüllt Ubu dort allenthalben, in der gängigen Übersetzung von Klaus Völker. Tobias Frühauf hat diesen Text verworfen, Ubu neu geschrieben. Nun reimt der Rapper Dennis da Menace: „Ich drücke meinen Darm leer auf dem Lokus / an meinem Kot erstickt der ganze Globus.“ Dennis da Menace tritt auf als Alt-Vizepräsident; neben ihm rappen Juicy Gay und Simon Kubat. Der Funktionär, die PR-Frau, der Revolutionsführer und der freie Journalist werden von Andreas Posthoff, Leah Wewoda, Paul-Louis Schopf und Alexander Ilic gespielt; Gunnar Schwarm ist Ubu. Sie alle tanzen wild zum finster-obszönen Rap-Stil, stehen sich auf zwei Bühnen gegenüber, werden begleitet von Live-Schlagzeug, E-Gitarre und harten Beats. Die schiere Wut, in Musik und Performance gepackt, geht manchmal über in traurig leise, vielleicht gar hoffnungsvolle Passagen, vor allem aber tobt das System.

„Ubu – eine Trapoper“ provoziert, ist moralisch unbequem und ein sehr cooles Event zwischen Hip-Hop-Party und Theaterperformance, mit Schauspielern, die in ihren Rollen aufgehen. Für Zartbesaitete schrieb Alfred Jarry nicht, für sie reimte aber auch kein Rapper je.

Termine
31. August, 6., 7., 12. bis 14., 19. bis 21. September jeweils 20.30 Uhr