Die Performance „Spuren – Zwangsarbeit in Stuttgart“ folgt am Samstag ab 12 Uhr dem Weg von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern auf der Königstraße.

„Lager Vogelsang, Baracke Eisbahn Zuffenhausen, Fa. Greiner eigenes Lager Rheinsburgstraße, Lager Winterhalde ...“ Bezeichnungen, auf das Pflaster geschrieben in weißer Kreide entlang eines ebensolchen Strichs! Letzteren zieht Lea-Svenja Dietrich mit Hilfe eines Stocks, an dessen Ende die Kreide steckt. Nach vorne blickend schreitet die Tänzerin in Zeitlupe von der Klett-Passage am Hauptbahnhof aus die Königstraße zum Schlossplatz entlang, bis sie am Alten Schloss enden wird.

 

Der Weg führt zum Alten Schloss, wo sie auf Lager aufgeteilt wurden

Hinter ihr auf dem Boden kniend schreibt die Künstlerin Philine Pastenaci Daten und Fakten auf den Boden: Allesamt Standorte, an denen sich Zwangsarbeiterlager in Stuttgart zwischen 1939 und 1945 befanden. Gefilmt werden die Performerinnen dabei von der Dramaturgin Tamara Priwitzer, Kostümbildnerin Hannah Ebenau wiederum dokumentiert die Generalprobe der Performance „Spuren – Zwangsarbeit in Stuttgart“. Zusammen haben die vier diese entwickelt, am Samstag findet ab 12 Uhr die Premiere statt. „Wir wollen den Weg nachzeichnen, den die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter genommen haben, vom Hauptbahnhof aus bis zum Alten Schloss, wo sie dann auf die Lager verteilt wurden. Es gab eine Hierarchie, Franzosen wurden besser behandelt als Menschen aus dem Osten.“

Das Thema sei längst nicht aufgearbeitet

Sie verweist auf Kopien aus dem Stadtarchiv Stuttgart. 120 Orte sind da aufgeführt, auch die Kennzeichnung, die Zwangsarbeiter aus Polen und vor allem aus Belarus und der Ukraine, damals Sowjetunion, tragen mussten, sowie Fotos. Zusammengetragen haben dies Roland Müller, ehemaliger Leiter des Stadtarchivs, sowie ein Heidelberger Doktorand. „Das Thema wurde bisher nur von diesen beiden erforscht, ist längst nicht aufgearbeitet“, sagt Pastenaci. 2000 sei mal über Entschädigungen in der Politik diskutiert worden. „Doch die meisten Zwangsarbeitenden sind schon tot.“

Über eine Viertelmillion davon habe es allein in Württemberg gegeben, beschreibt Elke Banabak, Geschäftsführerin der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber e.V. Über diesen läuft das Projekt Stolperkunst, das die künstlerische Intervention im öffentlichen Raum ausgeschrieben hat, gefördert durch die Stadt Stuttgart.

Banabak und Christian Werner, Projektmanager von Stolperkunst, sehen die Kunstaktion als Beitrag zur derzeitigen erinnerungskulturellen Debatte. „Zwangsarbeit“ komme noch wenig in der Erinnerungslandschaft im öffentlichen Raum vor. Das Thema bilde auch eine wichtige Line zur internationalen Erinnerungskultur, so Werner.

Ist es angesichts des Themas eine politische Kundgebung?

Die Passanten sollen denn auch über die Spuren, die Pastenaci mit ihren Kolleginnen legt, stolpern, wie über die Stolpersteine. Das geschieht schon zur Generalprobe. Menschen, ob auf dem Rückweg ins Geschäft nach der Mittagspause oder Flaneure, bleiben stehen und lesen. Auch Polizisten: Pastenaci hat zwar bei der Stadt um Erlaubnis für die Aktion gefragt und diese als „Veranstaltung“ erhalten. Nun wird freundlich diskutiert, ob es sich um eine politische Kundgebung handelt angesichts des Themas. Fällt das unter das Versammlungsrecht? Auf jeden Fall gehe es auch um das Thema Schutz. Politik oder Erinnerungskultur? „Das wäre hier wohl eine Sondernutzung“, meint ein Beamter. „Machen Sie mal weiter.“