Mittelständler beklagen sich, dass die politische Entscheidung für eine Hardware-Nachrüstung fehlt. Die Abgasspezialisten trauen sich zu, was die Autohersteller ablehnen: Sie wollen Dieselmotoren umbauen, damit der Stickoxid-Ausstoß deutlich sinkt und Fahrverbote vermieden werden.

Stuttgart - Die Diesel-Nachrüster stehen in den Startlöchern. „Wir haben alles für die Vorserie fertig und könnten eigentlich jederzeit anfangen. Uns fehlt nur noch die Planungssicherheit“, sagt Marcus Hausser, der Chef des mittelständischen Abgasspezialisten Baumot in Königswinter (Nordrhein-Westfalen). Hubert Mangold verliert allmählich die Geduld: „Wir wünschen uns, dass die Regierung jetzt endlich hopp oder topp sagt, damit die Autofahrer Klarheit haben, ob es eine Hardware-Nachrüstung gibt oder nicht“, sagt der Geschäftsführer des Katalysatorherstellers Oberland-Mangold in Eschenlohe (Bayern).

 

Auch der Bamberger Martin Pley zeigt sich vorbereitet. Er hatte sich vor acht Jahren selbstständig gemacht und führt mittlerweile einen auf die sogenannte SCR-Technologie zur Abgasreinigung spezialisierten Betrieb mit fünf Mitarbeitern. „Wir haben einen Bausatz zusammengestellt, mit dem man 80 Prozent der Euro-5-Dieselflotte nachrüsten kann“, sagt Pley. Damit könnte der Stockoxidausstoß deutlich gesenkt werden. Doch bisher, so klagt der Gründer, gebe es keine Rechtssicherheit, dass ein nachgerüstetes Auto von Fahrverboten ausgenommen würde.

Autohersteller lehnen einen Umbau der Motoren ab

Die kleinen Nachrüster trauen sich zu, was die Autohersteller ablehnen. Sie haben seit dem Dieselgipfel der Bundesregierung im vergangenen Jahr immer wieder unisono erklärt, ein Umbau des Motors wäre viel zu aufwendig und viel zu teuer, weil umfangreiche zeitraubende Neuentwicklungen und Tests erforderlich wären. Stattdessen beschränken sie sich auf ein deutlich weniger wirksames Software-Update.

Baumot-Chef Hausser weist die Bedenken der Hersteller zurück. „Ich habe hier ein großes Déjà-vu“, sagt er. Auch vor der Einführung der Schadstoffnorm Euro 4 hätten die Autohersteller behauptet, dass eine Nachrüstung technisch nicht möglich sei. „Die Nachrüster mussten erst beweisen, dass es geht. Und es hat hervorragend funktioniert“, sagt der Baumot-Chef.

Unterstützung erhalten die Nachrüster aus Baden-Württemberg

Unterstützung erhalten die Nachrüster aus Baden-Württemberg. Gefördert vom Verkehrsministerium hat der ADAC vier Fahrzeuge getestet, die mit SCR-Systemen von Baumot, Oberland-Mangold, Pley und dem sauerländischen Unternehmen HJS ausgerüstet wurden. Das Ergebnis: Der Stickoxidausstoß der Euro-5-Diesel konnte um bis zu 70 Prozent gesenkt werden. In diesen Tagen beginnt nun als zweiter Test ein Langzeitversuch. Auch HJS ist bei diesem Dauerlauf wie die anderen drei Abgasspezialisten wieder mit von der Partie. Stefan Lefahrt, Leiter Strategie und Produktinnovation bei HJS, äußert sich jedoch deutlich zurückhaltender als die anderen Nachrüster: „Technisch können wir das und haben es auch für verschiedene Fahrzeugtypen schon demonstriert“, sagt Lefahrt. Neben den erforderlichen rechtlichen Regelungen wäre jedoch auch notwendig, dass die Autobauer zu einem engen Schulterschluss bereit seien, meint der HJS-Manager. Und dies nicht nur aus Kostengründen, denn um die Hardware wirklich gut integrieren zu können, brauche man Informationen darüber, wie der Motor und die Abgasreinigung arbeite. Diese Informationen habe nur der Fahrzeughersteller.

Baumot bereitet eine Serie für den Großraum Stuttgart vor

Baumot-Chef Hausser rechnet nicht mit einer bundesweit einheitlichen Regelung, „weil die Bundesregierung in der Vergangenheit eher auf die Lobby der Autoindustrie gehört hat“. Dennoch sieht er Chancen zu starten. Das baden-württembergische Verkehrsministerium hat signalisiert, dass Autos, deren Hardware nachgerüstet wurde, dauerhaft vom Fahrverbot in Stuttgart ausgenommen werden sollen. Allerdings müssen die Emissionsgrenzwerte, die erreicht werden sollen, erst noch festgelegt werden. Hausser rechnet damit, dass andere Kommunen sich dieser Lösung anschließen werden. In Stuttgart gilt zum Jahreswechsel zunächst ein Fahrverbot für Autos bis Euro 4. Zur Jahresmitte soll dann geprüft werden, ob auch Wagen mit Euro 5 ausgesperrt werden.

„Wir bereiten zunächst eine Serie für den Großraum Stuttgart vor“, sagt der Baumot-Chef. Um einen Überblick zu bekommen, welche Modelle dabei besonders gefragt sind, hat das Unternehmen vor einer Woche eine Seite im Internet eingerichtet, auf der sich Interessenten unverbindlich registrieren können. Die Kosten für die Nachrüstung schätzt Hausser einschließlich Einbau auf etwa 2000 Euro für ein Euro-5-Fahrzeug.

Wer diese Rechnung bezahlen muss, ist jedoch bis jetzt völlig unklar. Baumot hat dafür einen unkonventionellen Weg parat: Über Crowdfunding sollen Fahrzeughalter zunächst Kapital in die Produktion der Abgastechnik investieren. Großkanzleien, die bis jetzt schon geschädigte VW-Kunden vertreten, wollen dann mit Sammelklagen das Geld für die Nachrüstung bei den Fahrzeugherstellern wieder eintreiben.