Die Kommission empfiehlt den Kohle-Ausstieg spätestens bis 2038. Wir geben Antworten auf die wichtigsten Fragen nach der Einigung.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Stuttgart - Nach dem Spiel ist vor dem Spiel – das gilt auch für die weiteren Vorbereitungen zum Kohleausstieg und zum Einstieg in eine saubere, klimafreundliche Energieversorgung. Nach sechsmonatiger Vorarbeit hat die Kohlekommission ihre Empfehlungen abgeliefert. Wir skizzieren, was als nächstes kommt.

 

Wie geht es politisch weiter?

„Hier ist Schwerstarbeit geleistet worden“, hat der CDU-Politiker und frühere Kanzleramtschef Roland Pofalla, Vorsitzender der Kohlekommission, am Samstag bei der Präsentation der Empfehlungen zum Kohleausstieg bis spätestens 2038 in Berlin betont. Dass es der 28-köpfigen Kommission, in der von den Öko-Verbänden über die Energiewirtschaft bis zu den Kohlerevieren alle Interessengruppen vertreten waren, gelungen ist, bei nur einer Gegenstimme Leitplanken für den Umbau der Energiewirtschaft zu vereinbaren, lobte er als „historischer Kraftakt“. Durch die Blume, aber unmissverständlich ließ Pofalla durchblicken, dass die Arbeit der Kommission keineswegs als Ruhekissen dienen soll. „Meine Erwartung an die Bundesregierung und die betroffenen Länder ist, bis Ende April die Eckpunkte für ein Maßnahmengesetz vorzulegen“.

Kommentar zum Kohleausstieg: Harter Brocken für den Steuerzahler

Damit ist der erste Eilauftrag klar: Der Bund soll in nur drei Monaten die finanziellen Grundlagen für die Strukturprogramme schaffen und mit den betroffenen Ländern die Details der Finanzhilfen aushandeln, mit denen der Ausbau der Infrastruktur, Wirtschafts- und Innovationsförderung und die Ansiedlung von Behörden und Forschungsinstituten in der Lausitz, im mitteldeutschen und rheinischen Revier gefördert werden sollen. Die nötigen Hilfen beziffert die Kommission auf zusätzlich 1,3 Milliarden Euro jährlich aus dem Bundeshaushalt, die 20 Jahre lang gewährt werden sollen. Das Maßnahmengesetz könnte somit das erste Gesetz werden, das die Bundesregierung zum Kohleausstieg auf den Weg bringt, und das Bundestag und Bundesrat noch in diesem Jahr beschließen. Die betroffenen Regionen sollen darüber hinaus weitere Finanzmittel erhalten. Zusätzliche 0,7 Milliarden Euro jährlich sollen zwanzig Jahre lang bereitgestellt werden, um auf heute noch nicht absehbare Nöte beim Strukturwandel zu reagieren. Insgesamt summiert sich das auf 40 Milliarden Euro.

Wie reagiert die Politik?

Die Bundesregierung hat sich zunächst aufs Schweigen verständigt. Statements von Ministern waren nicht zu hören. Insgesamt kam aus den Parteien, der Wirtschaft und von den Umweltverbänden überwiegend Anerkennung für die Arbeit der Kommission – zwar ist niemand vollständig zufrieden, aber die positive Resonanz überwiegt. Die Energiewirtschaft lobte die Planungssicherheit, der Deutsche Industrie und Handelskammertag sprach von einem „guten Signal“. Die meisten Umweltverbände hätten sich einen schnelleren Kohleausstieg gewünscht, waren aber mit dem Gesamtpaket einverstanden; einzelne Initiativen kündigten an, gegen den Kompromiss demonstrieren zu wollen. Die SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles kündigte an, sofort die nötigen Schritte in die Wege zu leiten. Die Grünen-Chefin Annalena Baerbock und Fraktionschef Anton Hofreiter forderten „zügig weitere ambitionierte Maßnahmen“, um das Klimaziel für 2030 tatsächlich zu erreichen. Die Linke kritisierte den Kommissionsvorschlag als „teuren Bummelausstieg“.

Wann soll das letzte Kohlekraftwerk vom Netz gehen?

Aktuell werden in mehr als hundert Kohlekraftwerksblöcken noch knapp vierzig Prozent des Stroms in Deutschland produziert. Laut Kohlekommission soll spätestens 2038 das letzte Kraftwerk abgeschaltet werden. Neue Kohlemeiler sollen gar nicht mehr genehmigt werden. 2032 empfiehlt das Gremium noch einmal Zwischenbilanz zu ziehen, um zu überprüfen, ob der Ausstieg auf 2035 vorverlegt werden kann. Das hängt wesentlich davon ab, ob es gelingt, den Anteil der erneuerbaren Energien wie geplant von heute rund 38 auf 65 Prozent im Jahr 2030 zu steigern.

Was passiert in der Zwischenzeit?

Bis 2022 will die Kommission Braunkohlekraftwerke mit einer Leistung von etwa fünf Gigawatt und Steinkohlekraftwerke mit einer Leistung von 7,7 Gigawatt vom Netz nehmen. Das ist deutlich mehr als zeitweilig erwartet worden ist und soll den klimaschädlichen CO2-Ausstoß um 45 Prozent reduzieren (im Vergleich zum Basisjahr 1990). In der Folgezeit soll es dann bis 2030 eine weitgehend kontinuierliche Abschaltung weiterer Kohlemeiler bis 2030 geben; Zwischenschritte wurden nicht festgelegt. In welcher Reihenfolge die Meiler vom Netz gehen, hat die Kommission offen gelassen. Darüber müssten jetzt früh Gespräche zwischen Bundesregierung und Betreibern aufgenommen werden, forderte die Umwelt- und Energieökonomin Barbara Praetorius, die neben Ronald Pofalla Kovorsitzende der Kohlekommission ist. Das Gremium erwartet, dass die gesamte Abschaltplanung für die Braunkohlekraftwerke bis 2030 einvernehmlich zwischen dem Bund und den Betreibern geregelt wird. Die Betreiber sollen bei Stilllegungen bis 2030 entschädigt werden. Je älter ein Braunkohle-Kraftwerk ist, desto geringer soll die Summe sein. Betriebsbedingte Kündigungen sollen ausgeschlossen sein und unbillige Härten sowie wirtschaftliche Nachteile für die Beschäftigten vermieden werden. Ein Preisschild hat die Kommission nicht an diesen Posten geklebt. Aber das Gremium baut auch an dieser Stelle Zeitdruck auf: Bis Mitte 2020 müsse dies einvernehmlich geregelt sein, sonst solle der Bund die Abschaltungen per Ordnungsrecht durchsetzen.

Was wird mit dem Strompreis?

Schon bisher ist das Strompreisniveau sowohl für Privathaushalte als auch für Unternehmen relativ hoch. Falls es zu Strompreissteigerungen kommt – was innerhalb der Kommission umstritten ist – soll es von 2023 an einen Zuschuss geben, um den Preisanstieg zu dämpfen. Aus heutiger sich sei dafür eine Summe von jährlich zwei Milliarden Euro erforderlich; exakt solle das aber erst 2023 festgelegt werden. Weitere Umlagen oder Abgaben auf den Strompreis soll es nicht geben.

Wie viel Klimaschutz steckt in dem Paket?

Nachdem die Bundesregierung ihre Klimaziele für 2020 verfehlt, ist ein schneller Einstieg in den Kohleausstieg umso wichtiger. Barbara Praetorius ist überzeugt, dass jedenfalls das Klimaziel 2030 erreicht wird, die Emission von Klimagasen um mehr als sechzig Prozent zu senken.

Was passiert jetzt mit dem Hambacher Wald ?

Der Hambacher Forst in Nordrhein-Westfalen ist zum Symbol des Protestes gegen den Braunkohletagebau geworden. Die Kommission hat seinen Erhalt jetzt als „wünschenswert“ eingestuft. Die Frage, was darunter zu verstehen sei, beantwortete Ronald Pofalla sibyllinisch: „Wünschenswert heißt wünschenswert“. Die Frage sei einer der ganz großen Streitpunkte in der Kommission gewesen, ergänze er. Der Naturschutzbund Nabu sieht den Erhalt des Waldes als gesichert an.