Mit dem Kohleausstieg wird Teil zwei der Energiewende eingeläutet. Am Freitag will die Kohlekommission zum Ende kommen. Was wir bisher über die Ausstiegspläne wissen und was nicht.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - An diesem Freitag wird es ernst beim Kohleausstieg. Dann trifft sich die von der Regierung berufene Kommission zu ihrer vielleicht letzten Sitzung. Es geht um einen fundamentalen Strukturwandel – und um Milliarden. Was bisher bekannt ist, und was nicht.

 

Worum geht es?

Nach dem im Jahr 2000 erstmals beschlossenen Atomausstieg, der 2022 abgeschlossen wird, wird es jetzt ernst mit dem zweiten Teil der Energiewende: Dem Abschied vom Kohlestrom. Im Koalitionsvertrag ist der Ausstieg beschlossen, seit sieben Monaten arbeitet die Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung an einem Ausstiegsplan. Am Freitag will sie die Beratungen abschließen; als Rückfallposition ist am 1. Februar ein weiterer Termin geblockt. Danach werden die Vorschläge der Bundesregierung übergeben. Am Ende beschließen Bundestag und Bundesrat, wie der Ausstieg umgesetzt wird.

Wieso macht man das überhaupt?

Deutschland muss auf saubere Energie setzen, wenn es seine national beschlossenen und die international im Pariser Abkommen vereinbarten Klimaziele erreichen will. Global soll die Erderwärmung auf maximal zwei Grad beschränkt werden. Auf nationaler Ebene ist vereinbart, dass der Energiesektor seine klimaschädlichen Emissionen bis 2030 um 61 – 62 Prozent senken muss. Bis spätestens 2050 soll die Energieversorgung laut den Beschlüssen der Bundesregierung „nahezu vollständig dekarbonisiert erfolgen“ – das heißt ohne Ausstoß von Kohlendioxid.

Worum geht es konkret?

Etwa hundert Kohlekraftwerke produzieren aktuell rund vierzig Prozent des Stroms in Deutschland. Der Kraftwerkspark mit 20 Gigawatt Braun- und 23 Gigawatt Steinkohle soll auf 19 Gigawatt mehr als halbiert werden. Konsens ist dem Vernehmen nach, dass bis 2020 eine nennenswerte Kraftwerksleistung abgeschaltet wird. Konsens ist auch, dass zuerst Braunkohlekraftwerke in Nordrhein-Westfalen vom Netz gehen (weil dort die ältesten Anlagen stehen) und die Kraftwerke in den ostdeutschen Revieren später abgeschaltet werden. Für 2030 wird anscheinend eine Punktlandung nahe des geltenden Klima-Sektorziels für die Energiewirtschaft angepeilt. Wie die Strecke zwischen 2020 und 2030 gestaltet wird, gehört zu den noch offenen Fragen. Wann der Kohleausstieg beendet sein soll, ist ebenfalls umstritten. In der Kommission rangierten die Vorschläge von 2030 bis 2065. Wahrscheinlich wird kein Datum, sondern ein Ausstiegskorridor vereinbart.

Was bekommen die Reviere?

Nicht nur die Unternehmen, deren Kraftwerke stillgelegt werden, sondern auch die betroffenen Regionen sollen für den Strukturwandel entschädigt werden. Die Landesregierungen, die für die vier Braunkohlereviere (Lausitz, Mitteldeutschland, Rheinisches und Helmstädter Revier) zuständig sind, haben umfassende Hilfen zur Abfederung des Strukturwandels gefordert. Ursprünglich verlangten sie Zuschüsse von 60 Milliarden Euro. Zusagen gibt es offiziell bisher keine von der Bundesregierung. Aber bei einem Spitzentreffen mit der Kanzlerin und Finanzminister Olaf Scholz hat man sich offenbar auf langfristige staatliche Hilfen verständigt. Bisher sind im Koalitionsvertrag lediglich 1,5 Milliarden Euro jährlich bis 2021 eingeplant. Dabei soll es nicht bleiben. Das Geld soll in bessere Zugverbindungen, Straßenausbau und Datennetze fließen. Außerdem sollen neue Forschungsinstitute, Behörden und Bundeswehreinheiten bevorzugt in den Kohleregionen angesiedelt werden.

Was fordert die Wirtschaft

Wenige Tage vor dem Endspurt hat die deutsche Industrie sich erneut positioniert und eine Zustimmung zum Ausstiegsplan an Entlastungen beim Strompreis geknüpft. „Eine Kompensation der zu erwartenden Stromkostensteigerungen ist für uns Voraussetzung für die Zustimmung zu einem politischen Ausstieg aus der Kohleverstromung“, erklärten der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der Deutsche Industrie- und Handelskammertag und die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Eine Studie im Auftrag der drei Organisationen kommt zu dem Schluss, dass ein beschleunigter Ausstieg aus der Kohle bis 2030 zu Mehrkosten für Industrie und Verbraucher durch höhere Strompreise zwischen 14 und 54 Milliarden Euro führen würde. Die Industrie verlangt daher unter anderem eine jährliche Entlastung bei den Netzgebühren von zwei Milliarden Euro.

Was sagen die zuständigen Minister?

Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) hat zuletzt noch einmal darauf gedrungen, dass nicht nur ein mittelfristiges Ziel für den Kohleausstieg angepeilt, sondern auch die Etappen festgelegt werden. „Echte Planungssicherheit braucht nicht nur ein Ziel für 2030, sondern auch konkrete Wegmarken für die Zeit davor“, betonte sie. Dagegen dringt Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) mit Blick auf die Versorgungssicherheit auf eine Art Revisionstermin um das Jahr 2030. Dann sollten die Fortschritte beim Umbau der Energieversorgung überprüft werden.