Selten haben die hohen Mieten in Stuttgart soviel Spaß gemacht wie bei „Koi Auskomma mit dem Einkomma“, der neuen Produktion in der Komödie im Marquardt.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - So ungewöhnlich ist die Idee gar nicht. Es gab Zeiten, da ging man morgens aus dem Haus und überließ sein Bett einem Schlafgänger. Der durfte sich für ein paar Groschen in den weichen Federn ausschlafen und war schon wieder auf und davon, wenn die Wohnungsbesitzer von der Arbeit heimkehrten. Eigentlich eine praktische Idee in Zeiten von knappem Wohnraum. Bei der Familie Kleinhans kommt es allerdings, wie es in einer Komödie kommen muss. Durch einen dummen Zufall stehen ihre Schlafgänger gleichzeitig vor dem Bett, in dem Lisa nachts und Tom tagsüber schläft. Das Problem: Die zwei Mieter wissen nicht, dass ihr Zimmer doppelt vermietet wird.

 

„Koi Auskomma mit dem Einkomma“ nennt sich das neue Stück in der Stuttgarter Komödie im Marquardt – und könnte mit etwas gutem Willen als kritischer Beitrag zur Stuttgarter Wohnungsmisere gelesen werden. Denn dem Ehepaar Kleinhans reicht die Rente hinten und vorne nicht mehr, bloß noch „Weckle vom Discounter mit ungesundem Treibmittel“. Ein gutes Viertele kann man sich auch nicht mehr leisten. Deshalb wollen die beiden ein Zimmer ihrer Altbauwohnung untervermieten – Eberhard, kurz d’r Ebbe, hätte gern eine junge Frau im Haus, d’Sabine einen jungen Mann. Aus Versehen schließt jeder einen Mietvertrag ab – und bekommen beide ihren Willen.

Hier lügt jeder manchmal

Das heißt zwar doppelte Miete, aber auch jede Menge Stress, weil morgens und abends Bettwäsche und Siebensachen getauscht sein müssen. Reichlich Potenzial also für köstliches Chaos. So schlicht die Ausgangslage sein mag, „Koi Auskomma mit dem Einkomma“ ist eine amüsante Komödie, weil alle Beteiligten aus diesen oder jenen Gründen Lügen erfinden müssen. Lisa, die Untermieterin, behauptet im Büro, verheiratet zu sein, damit die Gattin des Chefs nicht eifersüchtig wird. Der Nachbar spielt seiner Frau regelmäßig vor, dem Ehepaar Kleinhans den Marsch zu blasen, dabei trinkt er heimlich mit ihm Schnäpschen. In dieser lustigen Hausgemeinschaft gibt es immer etwas zu mauscheln und zu schwindeln.

Axel Preuß, der Intendant der Schauspielbühnen in Stuttgart, hat selbst Hand angelegt und das Stück für seine Inszenierung modernisiert. Monika Hirschle, die auch die Sabine spielt, hat den Text ins Schwäbische übersetzt und bedient dabei die gesamte Klaviatur urschwäbischen Geschwätzes. Da gibt’s Buarle, Mädle und auch mal eine saubere Krott, da wird d’Trepp na g’hagelt und aufgepasst wie ein Heftlesmacher. Das passt und liefert reichlich Pointen, auch wenn das Stück von Fritz Wempner bisher eher in Richtung Norden verortet wurde. Denn ursprünglich wurde „Kein Auskommen mit dem Einkommen“ auf Plattdeutsch gespielt. Nach der Uraufführung 1956 in Bremen machte die Komödie Bühnen- und sogar Film- und Fernsehkarriere und wurde einer der Dauerbrenner des Hamburger Ohnsorg-Theaters.

Die Inszenierung holt alles aus dem Stoff raus

In der Komödie im Marquardt ahnt man nur noch wenig vom Geist des Nachkriegsdeutschlands, der ursprünglich durch das Stück wehte. Sabine und d’r Ebbe wohnen in einer schönen Altbauwohnung (Ausstattung: Tom Grasshof) vermutlich im Stuttgarter Süden oder Westen und sind ganz und gar von heute mit ihren Birkenstock-Schlappen, mit denen sie auf den Balkon schlurfen. Mit der ersten Mieteinnahme geht es sofort zu Feinkost Böhm, und der Untermieter Tom schläft in VfB-Bettwäsche.

Axel Preuß hat sorgsam inszeniert und mit dem Team viele amüsante Details entwickelt, die das leichte Stöffchen noch aufwerten. Als Tom (Jörg Pauly) beschwipst vom Wasen kommt, hält er Luftballons in der Hand, die ihn – angeblich - ständig nach oben ziehen. Das muss man schauspielerisch erst einmal so überzeugend hinbekommen. Aber auch sonst ist das Ensemble dieser neuen Produktion im Marquardt sehenswert. Vorneweg freilich Monika Hirschle mit ihrem kabarettistischen Gen, die schief auf dem Sofa hängt, sich biegt, krümmt und köstlich grimassiert – da sagt ein Blick oft alles. Diese Sabine ist nicht nur eine neugierige Vermieterin, sondern auch durchaus ausgefuchst und mit galligem Humor ausgestattet.

Trotz aller Verstrickungen geht es – natürlich – gut aus

Reinhold Weiser als Ebbe ist ihr ein kongenialer Partner und um keinen Spruch verlegen. Grandios auch Volker Jeck als Senior von nebenan, der unter dem Pantoffel seiner garstigen Gattin steht. So klischiert seine Figur sein mag, Spaß macht sie doch. Ob es Toms gestrenger Herr Papa (Armin Jung) ist, der mit Obst und Gemüse handelt, oder die kesse Lisa (Antonia Leichtle), die Figuren sind klar definiert und die Schauspieler präsent.

Natürlich ist manches vorhersehbar. „Hoffentlich schellt’s jetzt ned glei wieder“, stöhnt Sabine – und prompt klingelt’s. Man ahnt auch, dass alles trotz immer schlimmerer Verstrickungen letztlich gut ausgehen wird. Aber bevor man darüber ins Grübeln kommen könnte, wird man schon wieder mit einem lustigen Spruch versöhnt – etwa, wenn Eberhard von seinen Eltern berichtet und das so klingt: „Meine Mutter war eine von und zu – und mein Vater ein auf und davon.“