Im Luftraum über Deutschland kommen sich Flugzeuge immer wieder bedrohlich nahe. Die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen spricht von mehr als 170 Fällen in vier Jahren. Der Pilot Felix Gottwald erklärt, woran das liegt.

Stuttgart/Frankfurt - Der Luftraum über Deutschland wird knapp. Die Gefahr von Kollisionen steigt, wie ein aktueller Bericht der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen zeigt. Der Pilot Felix Gottwald erklärt, warum das so ist – und wie sich das Problem lösen lässt.

 

Herr Gottwald, nach Angaben der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) hat es in den vergangenen vier Jahren mehr als 170 „potenziell gefährliche Annäherungen von Luftfahrzeugen“ gegeben. Wie kann das sein?

Gemessen wurden hierbei vor allem Annäherungen, bei denen unser Kollisionswarnsystem TCAS aktiv war. Kritisch sind dabei vor allem Annäherungen von Kleinflugzeugen und Verkehrsflugzeugen oder zwischen Kleinmaschinen. Das Problem ist, dass es verschiedene Lufträume gibt, die unterschiedlich restriktiv sind. An Flughäfen wie Frankfurt oder Stuttgart haben wir einen sehr restriktiven Luftraum. Es gibt aber auch Lufträume, in denen jeder fliegen kann, wie er will – und durch den müssen zum Teil auch Verkehrsmaschinen. Und genau das ist problematisch. Im gemischten Luftraum der Klasse E müssen sich Kleinmaschinen nicht beim Fluglotsen anmelden und haben zum Teil auch keinen Transponder. Wenn der Lotse das Flugzeug aber nicht erkennen kann und auch nicht weiß, wohin die Maschine fliegt, kann er Verkehrsmaschinen nur schwer um das Kleinflugzeug herumleiten. Wir Piloten kriegen dann einen Hinweis „Da ist Verkehr. Haltet mal Ausschau.“ Bei Geschwindigkeiten von etwa 500 Kilometern pro Stunde ist es allerdings sehr schwer, ein Flugzeug zu erkennen. Und wenn man es erkennt, ist es meistens schon zu spät.

Wie gefährlich ist das?

Das ist eine schwierige Frage. Aber wir haben jedes Jahr bis zu fünf Fälle, in denen sich Flugzeuge bis auf wenige Meter nähern und wo es am Ende nur Zufall war, dass nichts passiert ist. Letztlich ist es nicht die Frage, ob irgendwann etwas passiert, sondern wann. Das könnte heute passieren oder erst in zehn Jahren.

Gibt es besonders gefährliche Ecken?

Solche Vorfälle gibt es an fast allen kleineren oder mittleren Flughäfen. Aber es gibt Orte, an denen öfters etwas passiert, wie zum Beispiel Memmingen, Nürnberg oder Weeze/Niederrhein. Ein komplettes Bild können aber nur die zuständigen Behörden wie die BFU, das Luftfahrt-Bundesamt oder das Verkehrsministerium geben. Aber auch diese haben immer nur einen Teil der Daten.

Was ist mit Stuttgart?

Stuttgart hat dieses Problem eigentlich nicht, weil der Luftraum restriktiver ist. Kleine Maschinen können hier nicht so frei rumfliegen und müssen sich beim Fluglotsen anmelden und ihren Flugweg mit diesem koordinieren.

Wie lässt sich das Problem lösen?

Zuerst brauchen wir eine solide Datenlage, denn bislang gibt es mehrere Meldewege, die nicht miteinander harmonieren. Wir bräuchten ein zentrale Anlaufstelle, in der die Fälle einheitlich bewertet werden. Zusätzlich brauchen wir vor allem einen sicheren Luftraum für Verkehrsmaschinen und zwar dort, wo diese fliegen. In diesem Luftraum muss der Fluglotse alle relevanten Maschinen erkennen und mit ihnen kommunizieren können.

Die BFU hat vor zwei Jahren gefordert, dass alle Maschinen mit Transpondern ausgestattet werden. Was halten Sie davon?

Wir haben die Forderung damals begrüßt, doch eine Expertengruppe aus Vertretern der verschiedenen Bereiche der Luftfahrt kam zu dem Schluss, dass es problematisch wäre, wenn alle Maschinen Transponder hätten. Die Frequenz, auf der diese Transponder senden, würde regional überlastet, so dass die Daten nicht mehr zuverlässig wären. Ein Problem, das wir schon jetzt in Teilen von Deutschland haben. Da müssen wir Lösungen finden.

Sie sind selbst Pilot. Haben Sie schon mal eine Beinahekollision erlebt?

Nicht mit einem Verkehrsflugzeug, denn ich fliege Langstreckenflüge aus Frankfurt. Auf Flügen mit kleinen Privatflugzeugen hatte ich aber schon Situationen, in denen es knapp wurde und ich in einen Sturzsinkflug gehen musste, um einen Zusammenstoß zu vermeiden.