Die neue Kulturminister-Konferenz muss sich zuallererst mit der Rückgabe von Kultur- und Museumsstücke befassen, sagt ihr Vorsitzender, der Hamburger Senator Carsten Brosdar.

Berlin - Seit Jahresbeginn hat Deutschland eine Kulturministerkonferenz. Der Hamburger Senator Carsten Brosda ist ihr erster Vorsitzender. Wir haben über Aufgaben und Ziele mit dem Sozialdemokraten gesprochen.

 

Herr Brosda, ist es Ihr Job, der Kulturstaatsministerin im Kanzleramt Monika Grütters zu zeigen, was eine Harke ist?

Unsere Konferenz ist keine Gründung gegen jemanden. Sie steht für eine verstärkte Zusammenarbeit der Länder im Sinne ihrer verfassungsmäßigen Verantwortung für die Kultur in Deutschland. Bisher wurden unsere Themen im Rahmen der Kultusministerkonferenz mitberaten. Das ist nicht mehr zeitgemäß, denn es gibt eine wachsende Zahl von Themen, die über Ländergrenzen hinweg relevant sind. Da reicht es nicht mehr aus, wenn sich jedes Land um die Förderung seiner kulturellen Institutionen kümmert. Da müssen wir uns enger abstimmen.

Kultur ist Ländersache. Trotzdem erscheint die Kulturhoheit fast als bedrohtes Gut. Zum Auftrag Ihrer neuen Konferenz gehört ausdrücklich, den kulturpolitischen Belangen der Länder „wieder mehr Sichtbarkeit“ zu verleihen. Das zeugt von einem Defizit.

Es zeugt vor allem davon, dass den Ländern bisher ein Resonanzraum fehlte, sich im bundesweiten Kulturdiskurs deutlich zu artikulieren. Regional macht das natürlich jedes Land. Wir brauchen aber ein Forum, in dem Grundfragen der Kulturpolitik bundesweit verhandelt werden: das kulturelle Erbe einer migrationsgeprägten Gesellschaft, die Aufarbeitung des Kolonialismus, die Digitalisierung von Kulturgut, Kultur im ländlichen Raum und die Stärkung von Metropolregionen außerhalb der Bundeshauptstadt. Das sind Themen von Relevanz für die ganze Republik.

Der Kulturminister im Kanzleramt ist eine rot-grüne Erfindung. Es gibt ihn erst seit 1998. Das ist Ihr natürlicher Gegenpol. Die Amtsinhaberin Monika Grütters hatte 2018 einen Etat für Kultur und Medien von 1,8 Milliarden Euro. Das ist eine Menge Geld, um weithin sichtbare Akzente zu setzen. Wie gehen die Länder mit diesem Spannungsfeld um?

Das Geld des Bundes ist erklecklich und hilft an vielen Stellen. Aber natürlich geben Länder und Kommunen ein Vielfaches davon aus. Ich sehe im Kanzleramt keinen Gegenpol. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung haben wir den Begriff des kooperativen Kulturföderalismus eingeführt. Es geht darum, die Mittel beider Ebenen und unsere unterschiedlichen Programmatiken, so aufeinander abzustimmen, dass sie sich bestmöglich verstärken.

Welche Themen nehmen Sie sich zu Beginn vor?

Den Anfang macht eine Arbeitsgruppe von Ländern und Bund zur Aufarbeitung des kolonialen Erbes und zum Umgang mit kolonial belastetem Sammlungsgut in unseren Museen. Bis März wollen wir eine Stellungnahme entwickeln. Frankreich zeigt uns gerade, wie man da vorgehen kann, und Deutschland darf bei diesem Thema nicht abseits stehen. Wir werden uns außerdem unter anderem um die Situation von kleinen und mittleren Buchverlagen kümmern, den Literaturmarkt genauer anschauen und uns mit Digitalisierung befassen.

Was soll Ihre persönliche Duftmarke sein?

In der Vergangenheit war die kulturpolitische Debatte häufig verengt auf die Frage einer angemessenen, meist finanziellen Förderung einzelner Kulturbereiche und Institutionen. Unabhängig davon ist es aber auch und zunehmend unsere Verantwortung, Freiräume zu öffnen und zu sichern, in denen Kunst und kultureller Diskurs möglich sind. Das Gremium so aufzustellen, dass es sich auch diesen grundsätzlichen Fragen zuwendet, ist mein Ziel.

Die in Jahrhunderten gewachsene föderale Struktur hat Deutschland eine ungewöhnlich dicht mit Opern, Theatern und Museen bestückte Kulturlandschaft beschert. Diese Vielfalt ist aber auch zersplittert und teuer. Wie können die Institutionen in der Fläche sich behaupten angesichts der Sogwirkung von Berlin als inoffizieller Kulturhauptstadt, angesichts global attraktiver Kulturleuchttürme wie etwa dem Guggenheim-Museum in Bilbao oder der Elbphilharmonie in Hamburg?

Diese kulturelle Vielfalt ist eine, wenn nicht die Stärke der Kultur in unserem Land. Ich bin zudem kein Anhänger der These, dass Kultur sich am besten durch einen ökonomischen Mehrwert rechtfertigt. Kultur muss Räume und Orte schaffen, die jedem Einzelnen Inspiration, Erkenntnis oder Irritation stiften. Diese Sinnstiftung ist es, die in einer freien und offenen Gesellschaft durch Kultur möglich wird.

Sie sehen die globalen Kulturmagnete nicht als Bedrohung für die Vielfalt der Institutionen in der Fläche?

Es ist nicht so, dass sich alle kulturellen Höhepunkte Deutschlands an zwei, drei Orten ballen. Immer wieder wird die Stuttgarter Oper als bestes Haus im Land ausgezeichnet. Städel und Schirn werden mit ihren Ausstellungen regelmäßig zu den spannendsten Kunstorten der Republik. Es ist eine wichtige Aufgabe der Kultur-MK, auch das Bewusstsein für diesen Reichtum zu bewahren, selbst wenn der Bund aufgrund der Verfassungslage und der besonderen Verantwortung für die Hauptstadt eine Fokussierung auf Berlin hat. Kultur in Deutschland ist deutlich mehr als die Hauptstadt. Das ist eine große Stärke unseres Landes und auch ein gutes Rüstzeug, um mit den Herausforderungen einer immer diverser werdenden Gesellschaft fertig zu werden.

Kultur dient also als Softpower, die helfen kann, die Gesellschaft zusammenzuhalten, Identität und Heimat zu stiften?

Das Thema gehört durchaus zum gesellschaftlichen Hintergrund, vor dem die Kultur-MK gegründet wurde. Aber mir ist wichtig: Wir betreiben Kultur nicht, um die Gesellschaft zusammenzuhalten. Wir müssen dialektisch aushalten, dass Kultur ihrem Wesenskern nach zweckfrei ist und gerade dadurch zu einer erhöhten Sinnstiftung führen kann.