Die Urnennischen sind nicht allen geheuer. Anfang dieser Woche hat das Stadtdekanat über das Trauerpastoral Zentrum, das in Degerloch geplant ist, informiert. Das Thema wirft in der Kirchengemeinde viele Fragen auf.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Degerloch - Den Zuhörern war nicht nach didaktischen Spielchen. Dabei hatten die Veranstalter alles durchdacht, hatten Stellwände zurechtgerückt und Pinnnadeln, Kärtchen und Stifte bereitgelegt. Die rund 50 Leute sollten am Dienstagabend in vier Kleingruppen Antworten auf vorgefertigte Fragen finden. Fragen wie „Wie hat die Prozessplanung auf mich gewirkt und welche Fragen gibt es für mich?“ oder „Worin besteht für mich die größte Herausforderung bei der möglichen Umsetzung eines Trauerpastoralen Zentrums in Mariä Himmelfahrt?“. Doch darauf hatten die Leute keine Lust, sie wollten ihre eigenen Fragen stellen zu den Plänen.

 

Als eigentlich die Kleingruppen an der Reihe gewesen wären, hatten die Gäste schon fast zwei Stunden zugehört. Zunächst den Ausführungen des Pfarrers Anton Seeberger. Der Priester aus Sankt Konrad und Sankt Eberhard hatte kurzweilig, aber ausschweifend über Bestattungskultur referiert und über die Beobachtung, dass der Tod heute sehr privat ist. So privat, dass einer sterben kann, ohne das es jemand merkt. Er plädierte dafür, wie schön es doch wäre, wenn das Sterben wieder mehr Teil der Gemeinde werden würde. Wenn Bestattung nicht mehr vor allem von der weltlichen Stadt geregelt würde, sondern wieder Sache der Kirchen wäre. „Wenn wir die Toten in die Kirche zurückholen, haben wir ganz, ganz viel gewonnen“, sagte Seeberger. Zumal der Tod und die Auferstehung Jesu ja den Mittelpunkt des Christseins darstelle.

Die Pläne seien noch ganz am Anfang

Dem Referat des Priesters folgte eines von Alexander Lahl vom Stadtdekanat. Er warf Eckdaten des Projekts als Präsentation an die Wand. Fast schon gebetsmühlenartig wiederholte Lahl, dass es sich nur um „grobe Vorstellungen“ handele, wie er sagte. Dass nichts Konkreteres in der Schublade des Stadtdekans liege, dass der Punkt, an dem eine Umkehr unmöglich ist, noch nicht erreicht sei. „Sie merken, wir sind hier sehr offen“, sagte Lahl. „Es stellen sich noch viele Fragen, die wir uns noch nicht mal ansatzweise gestellt haben.“

Manch einer schenkte den beschwichtigenden Worten dennoch keinen Glauben. Die größte Sorgen bereitet wohl das Kolumbarium, das Teil des Trauerzentrums sein soll. Dabei handelt es sich um Urnennischen. „In vielen Köpfen sind dann gleich viele Urnenwände“, sagte Lahl. Wo sie in oder an der Kirche in Degerloch platziert werden würden, sei noch gar nicht raus.

Kolumbariumskirchen sind im Trend, so gibt es unter anderem bereits welche in Hamburg, Aachen, Krefeld, Erfurt, Leverkusen, Hannover – und es werden immer mehr. Nicht ohne Anlass. 60 Prozent der Verstorbenen werden heutzutage feuerbestattet. „Die Katholische Kirche in Stuttgart muss sich diesem Wandel stellen“, sagte Lahl.

Die Degerlocher Katholiken, die gekommen sind, um sich die Pläne fürs Trauerzentrum anzuhören, fürchten diesen Weg. Aus ihren Wortmeldungen ließ sich heraushören, dass sie zwar davon ausgehen, dass das Zentrum sicherlich Schlagzeilen machen wird, dass aber die Kirchengemeinde Mariä Himmelfahrt daneben verblassen könnte; dass Urnenwände das Kirchlein an der Karl-Pfaff-Straße noch kleiner machen; dass die Urnenplätze zum Statussymbol für besonders reiche oder eifrige Katholiken werden könnten; dass sich dauernd Nicht-Degerlocher in der Kirche zum Beten aufhalten könnten; dass um Gottesdienstzeiten konkurriert werden müsste. Einfach, dass mit dem neuen Trauerzentrum alles anders werden würde.

Fragen und Anmerkungen sind gefragt

Dass alles anders werden würde, bestritt keiner der am Projekt Beteiligten. Genau das wollen sie ja erreichen. „In unserer Kirche und um unsere Kirche wird viel Betrieb sein“, sagte Gabriela Rothmund-Gaul vom Degerlocher Kirchengemeinderat. „Das kann man sich doch nur wünschen.“ In Zeiten sich leerender Kirchenbänke. „Wir nehmen Ihnen nichts weg“, sagte Lahl. „Es ist eine große Chance für Ihre Gemeinde.“

Wer Fragen oder Anmerkungen zum Trauerzentrum hat, darf sich dazu äußern. Am besten per Brief an die Gemeinde Mariä Himmelfahrt, Karl-Pfaff-Straße 44, 70597 Stuttgart, oder an pfarramt@mariaehimmelfahrt.de.