Es ist wichtig und richtig, Gegenstände zu pflegen und zu erhalten. Unsere Kolumnistin ist überzeugt, dass es am besten ist, sie überhaupt nicht zu benutzen.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Dieser Tage wollte ich ein paar Seiten aus einem Buch herauskopieren. An sich ein recht gewöhnlicher Vorgang. Dachte ich zumindest, als ich im Copyshop stand. Nein, sagte die Dame hinter dem Tresen. „Bücher können Sie bei uns grundsätzlich nicht kopieren.“ Denn das schadet den Geräten. Da der Deckel des Kopierers durch den Buchrücken nicht komplett schließt, wird ein schwarzer Rahmen mitgedruckt. Dadurch gelangt überschüssige Farbe auf die Walze. Anders gesagt: damit sich die Kopiergeräte nicht durch Kopieren abnutzen, darf man im Copyshop nicht mehr kopieren.

 

Das kann man sehr gut verstehen. Ich habe zum Beispiel kürzlich mein Sofa frisch beziehen lassen. Seither traue ich mich nicht mehr, darauf zu sitzen. Wegen der Flecken. Wegen des Abriebs. Und vor allem wegen des Abfärbens, gerade bei Jeans. Wenn man beim Fernsehschauen unruhig hin und her rutscht, reibt sich die  Farbe direkt in die Polster hinein. Deshalb musste ich das Sofa ja auch neu beziehen lassen.

Ein alter Hut sitzt gut. Doch mehr tut man sich freuen, am unbenutzten Neuen. Deshalb waschen manche Leute angeblich ihre Unterwäsche auch nicht, sondern kaufen lieber neue. Als eine Bekannte ein möbliertes Zimmer mieten wollte, verlangten die Vermieter keinen Einkommensnachweis, sondern wollten nur wissen: „Essen Sie Pizza auf dem Sofa?“

Auch ein saubere Hose mit Fleck ist tabu

„Engländer müsste man sein“, stöhnte dieser Tage eine Freundin. Engländer sind angeblich nicht so pingelig wie Deutsche. Sie tragen Hemden, selbst wenn die Manschetten schon abgestoßen sind. Sie bügeln über kleine Löcher hinweg. Sie plätten aufgeraute Stellen mit dem Dampfeisen. Während ich mal in der Tasche einer hellen Hose einen Getränkebon vom Straßenfest vergaß. Nach der Wäsche hinterließ er einen roten, rechteckigen Fleck auf der Gesäßtasche. Halb so wild, dachte ich – und trug die Hose weiterhin. Aber sie löste tumultartige Szenen aus: „Da ist was!“ – „Hallo, was ist das?“ – „Ist das Dreck?“ – „Oh Gott, ein Fleck!“

Als eine Freundin jetzt zu Besuch war, setzte sie sich natürlich sofort auf mein frisch bezogenes Sofa. Und das ausgerechnet mit einer Jeans. Ob ich ihr ein Tuch unter den Wertesten legen könnte, habe ich vorsichtig gefragt. Natürlich hat sie Hohn und Spott über mich gekübelt. Und mir geraten, es doch so zu halten wie ihr ehemaliger Schuldirektor: Der ließ auf dem Sofa die Verpackungsfolie einfach ganz drauf.