Unsere Kolumnistin weiß, wie wichtig es ist, argumentativ in einen Diskursraum zu gehen. Denn von dort aus gelangt man schnell in die Metaebene.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Müde Menschen sprechen anders. Ihre Stimme wird tiefer. Sie verschlucken Endungen, sie nuscheln, fispern und fispeln, sie haspeln, stammeln und stottern. „’schab doch grad“, sagte eine Freundin dieser Tage und gähnte herzhaft. „Wegnm Ding“, sagte sie, „dm ein’n, na sach’ schon, dem . . .“ Dann hat sie sich gereckt und gestreckt, noch einmal ausgiebig gegähnt und laut geschmatzt.

 

Da habe ich ihr aber Guidance gegeben! Ich bin knallhart in die Diskussion gegangen. Schließlich verstetigen sich solche verbalen Nachlässigkeiten. Sie werden fortgeschrieben. Sie überformen das Vokabular. Sie führen zu normativen Konstruktionen. Und da der jeweilige Sprech in einem kongruenten Spannungsverhältnis zur Denke steht, ist es wichtig, verbale Segmente argumentativ abzuklopfen, den Subtext mitzulesen und in die Reflexion zu kommen. Stichwort: Haltung.

Ob sie da mit mir konform gehe, habe ich die Freundin gefragt. Sie hat es aber programmatisch nicht gefasst bekommen. „Wisso redsden heut so komisch?“, fragte sie und grunzte.

Im Diskursraum durchs regionale Fenster geklettert

Treffen sich zwei Politiker. „Was sagten Sie neulich in Ihrer Rede zur Rentenreform?“ – „Nichts.“ – „Das ist klar, aber wie haben Sie es formuliert?“

Ich habe noch versucht, tiefer in die Diskussion über Trigger und Parameter der Moderne reinzugehen, und einen Definitionsraum über subversive Praktiken aufgemacht. Die Freundin ist aber kurzerhand durch das regionale Fenster rausgeklettert.

Deshalb sitze ich jetzt allein in meinem Diskursraum. Und überlege, ob ich nicht doch noch ein paar schicke Begriffe auf der Metaebene einstellen könnte. Aber irgendwie bin ich jetzt auch müde und würde gern ein bisschen grunzen und schmatzen.

Im Büro darf man aber nicht schlafen. Wegen der Sicherheit. Kürzlich hatten wir wieder Alarm und mussten uns „für eine eventuelle Evakuierung bereithalten“. Eine Stunde haben wir uns für die eventuelle Evakuierung bereitgehalten, dann kam endlich die Durchsage: „Die eingehende Situation hat sich entspannt. Die Alarmierung wurde aufgehoben.“

Womit jetzt dann auch die Alarmierung durch die schreibende Situation aufgehoben werden kann, aber nicht, ohne noch einmal in die Reflexion über sprachliche Überformungen zu kommen: Verlangt ein Mann auf dem Wochenmarkt zwei Pfund Tomaten. Erwidert der Händler: „Das heißt jetzt Kilo.“ Staunt der Mann: „Ach was, nicht mehr Tomaten?“