Im Marstall Ludwigsburg wird Frühsport für Mamis mit Kinderwagen angeboten. Und Ikea eröffnet eine Charge Lounge. Wo bleibt da für die Elternzeit-Väter noch das Mannsein? Fragt sich Rafael Binkowski.
Ludwigsburg - Mittwoch, 9 Uhr im Ludwigsburger Marstall. Während die ersten Pappbecher mit schäumendem Cappuccino auf der Rolltreppe in den Händen der hektischen Besucher vor sich hin schwappen und sich die fröhlichen Senioren bei den Minusgraden in der Passage aufwärmen, wird das schmucke Einkaufszentrum der Ort einer körperlichen Höchstleistung. Es sind – Achtung, Klischee! – Mütter mit ihren Kinderwagen, die sich zum Frühsport treffen. Das Ganze läuft unter dem Slogan „Laufmamalauf“.
In einer Pressemitteilung des Center-Managements heißt es, man könne ideal alle Freiflächen im Shoppingcenter nutzen. Um 10 Uhr, wenn die Stunde Mama-Sport vorbei ist, haben dann die Cafés geöffnet, damit die abtrainierten Kalorien schnell wieder draufgepackt werden können. Nun ist der Autor befangen, als recht frischer Vater bald selbst in Elternzeit und weit entfernt davon, sich über die Mühsal der Elternschaft mit kleinen Sprösslingen zu amüsieren. Aber bitte, liebe Centermanager, wo bleibt die Emanzipation? Soll die Generation der Latte-Macchiato-Väter nur in Hipster-Manier am Spielplatz sitzen und mit anderen modernen Elternzeit-Geschlechtsgenossen fachsimpeln?
Laufpapalauf? Wir machen uns nicht zum Affen!
Wir Väter würden – und verwenden schon mal im Vorgriff den Plurale Elternzeitensis – doch auch gerne Sport machen, ohne den quäkenden Junior dem Babysitter anvertrauen müssen. Aber legen wir uns im Marstall im Kreis? Nein, wir machen uns auch nicht mit „Laufpapalauf“ zum Affen. Wenn dann die Kumpels vom Fußballabend vorbeischlendern – undenkbar. Gut, vielleicht hängen wir auch als postmoderner Vater alten Stereotypen nach.
Da trifft es sich gut, dass ausgerechnet Ikea, das schwedische Möbelhaus, an diesem Mittwoch in Ludwigsburg die bundesweit erste Charge Lounge eröffnet. Das ist eine Elektro-Ladestation für E-Autos mit angeschlossener Wohlfühloase und Kaffeebar. Denken wir uns mal so. Denn der Hipster von heute will seinen Tesla, nachdem dieser den Porsche 911er auf der Autobahn abgezogen hat, schnell während einer Tasse Espresso nachladen.
Am Ludwigsburger Bahnhof ist man noch Mann
Damit sind wir wohl endgültig im postfaktischen Zeitalter angelangt. Mag Nico Rosberg Formel-1-Weltmeister sein: der Mann von heute fährt nicht mehr im GTI mit 180 PS mit abgedunkelten Scheiben bei McDonalds vor. Nach dem Frühsport im Center geht es per E-Golf an die Charge Lounge, man flötet dem Kleinen ein pädagogisch wertvolles Kinderlied vor, rückt sich den Kaschmir-Schal zurecht und lädt dann die Spotify-Playlist „Lounge Chillout Mood “ auf das iPhone.
Aber am Abend, wenn der Sohnemann pennt und die Liebste vor dem Fernseher eingeschlafen ist, schleichen wir uns heimlich an den Ludwigsburger Bahnhof und mampfen einen Döner. Mitohnescharf. Hier im „Milieu“ darf man sich noch archaisch anraunzen. Harr harr.