Seit dem Wochenende huschen Videos durch die sozialen Medien, die die "korrekte Aussprache" deutscher Wörter versprechen. Und das natürlich nicht einhalten. Der Macher der Videos hat uns erzählt, wie man auf so einen Quatsch kommt.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Möglicherweise hat der eine oder andere in den vergangenen Tagen Youtube-Videos in seiner Timeline entdeckt, die als Inhalt die "richtige Aussprache von schwierigen deutschen Wörtern und Fremdwörtern - mit Beispielsatz" versprechen. Also von Wörtern wie "Tzatziki", "Synthesizer" und "Tourette-Syndrom" oder Namen wie "Xavier Naidoo".  

 

Wie in einem Computer-Sprachkurs liest eine Stimme das Wort zweimal vor, gefolgt von einem Beispielsatz. Natürlich werden die Wörter nicht korrekt ausgesprochen, sondern falsch - und das wiederum so lustig, wie es sich keine Navi-Automatenstimme ausdenken könnte:

So wird aus "Espresso" das falsche "Expresso", "Tucholsky" wird einfach auf Englisch ausgesprochen und "Feuilleton" bekommt ein, zwei näselnde Silben extra.

Auch witzig: die insgesamt 127 Videos liegen seit Monaten im Netz, ohne dass sie einer nennenswerten Anzahl Menschen aufgefallen wären. Ende vergangener Woche machten dann die üblichen Meme-Durchlauferhitzer (also Blogs wie Dressed Like Machines, Kraftfuttermischwerk und Co.) auf die Videos aufmerksam - Volltreffer, zumindest aus Sicht der Berliner Wundertütenfabrik, die die Videos produziert hat.

Dahinter steckt ein Kollektiv von Kreativen. Hinter den Videos wiederum stecken explizit zwei Süddeutsche: eine Sprecherin sowie Sandro, der uns am Telefon berichtet, was es mit den Videos auf sich hat.


Wie kommt man auf die Idee, solche Videos zu produzieren?
"Wir haben uns eine Zeitlang über Partygespräche lustig gemacht, die die Aussprache von Wörtern wie 'Espresso' thematisieren. Da sagen ja manche Leute 'Expresso' und dann diskutiert man, was richtig ist. Bei uns in der Gruppe wurde das Volkssport. Dann haben wir uns gedacht: Es wäre doch lustig, den 'Expresso'-Sagern eine Referenzgröße zu geben - damit die sagen können 'Das steht aber so im Internet'."

Beachtet hat das lange Zeit niemand.
"Wir haben auch nix mit den Videos gemacht. Wir wollten einfach schauen, über welche Videos die Leute im Netz stolpern. Ich vermute, dass jetzt wegen der Affäre um Xavier Naidoo beim ESC jemand unser Video gefunden hat, in der es um die Aussprache seines Namens geht ..."

Zum einen ist die Aussprache witzig, zum anderen die Beispielsätze wie 'Marvin gönnt sich zum Wochenende gern mal eine Packung Heroin'. Wer oder was spricht da, wer denkt sich Texte aus?
"Die Texte schreibe ich, eingesprochen werden sie von einer Freundin von uns. Das ist darauf angelegt, dass sich die Komik erst nach mehreren Videos einstellt. Unsere Prämisse ist, dass man theoretisch glauben könnte, dass man die Worte so ausspricht wie im Video."

Auf die von euch propagierte Aussprache des Wortes 'Synthesizer' kommt man aber nur in einem Akt besonderer Kreativität?!
"Wenn man sich das Wort 'Synthesizer' eine Weile anschaut, kommt man auf mehrere Aussprache-Varianten. Das Wort schreit wegen des englischen "th" nach seltsamer Aussprache. Aber schon klar - dass man von 'Vernissage' zur Aussprache 'Fairness-AG' kommt, das sind Ideen, die bei einer Flasche Wein in der Küche entstehen."

Das schöne Leben der Kreativen ... danke für das Interview!

(Und, ganz ehrlich: "Nike" hätten wir auch so ausgesprochen ...)

Ergänzung 24.11., 23:00 Uhr: Auf Twitter kamen Hinweise auf einen ähnlichen Anbieter im englischsprachigen Raum. Danke an @vierzueinser und @hahahonk.