Die FDP Herrenberg findet sich fortschrittlicher als Berlin und Gärtringen hält sich für die Bundeshauptstadt. Und Daimler ist im siebten „fetten“ Jahr angekommen.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Böblingen - Bibelfeste Menschen werden sich um die nahe Zukunft von Daimler spätestens seit der Verkündung der neuesten Absatzrekorde Sorgen machen. Mit fast 2,3 Millionen verkauften Fahrzeugen hat Mercedes-Benz 2017 zwar als erfolgreichstes Jahr aller Zeiten abgeschlossen. „Wir haben uns damit das siebte Jahr in Folge selbst übertroffen“, freute sich der Vorstandsvorsitzende Dieter Zetsche entsprechend. Aber seine eigenen Worte hätten ihn aufhorchen lassen müssen. Denn sie erinnern an den Traum eines Pharaos: Sieben fette Kühe waren dem Mann im Schlaf erschienen, und leider auch sieben magere. Die mageren und hässlichen Kühe fraßen sogar die sieben fetten!

 

Josef wusste immerhin gleich, was los war: Auf sieben Jahre des Wohlstands sollten sieben Jahre Hungersnot folgen, erklärte er dem ägyptischen Staatschef. Deshalb füllte er vorsorglich die Speicher des Landes. Die Rolle des Propheten hat diese Woche die FDP übernommen. Beim Neujahrsempfang der Liberalen zeichnete Linda Teuteberg ein düsteres Bild von der Zukunft im Kreis Böblingen. Es sei höchste Zeit, dass sich in den Bereichen Wirtschaft, Arbeit und Politik etwas ändere, erklärte die FDP-Bundestagsabgeordnete aus Potsdam das Scheitern der Jamaika-Verhandlungen. Denn bei den Technologien des 20. Jahrhunderts sei Deutschland noch vorne mit dabei, wie bei den Verbrennungsmotoren. „Aber die Technologien des 21. Jahrhunderts kommt nur noch zum Teil aus Deutschland“, erklärte sie knallhart.

Die FDP zeigt sich bibelfest

Die Zukunft von Daimler ist ein Suburban Vehicle, SUV genannt, dessen Fahrer sich in Tiefgaragen auf zwei Plätzen breit machen. Dort wird es künftig noch enger: Allein 805.000 Stück davon hat Daimler vergangenes Jahr abgesetzt. Inzwischen entfällt mehr als ein Drittel der Verkäufe von Mercedes-Benz auf diese Autos. Da sich die FDP neuerdings bibelfest zeigt, ist es logisch, dass auch an der Börse ein gewisser Glaube herrscht: Der Aktienkurs von Daimler hat in 2017 jedenfalls nicht den Absatzrekord widergespiegelt, zwischen Januar und Dezember legte das Papier gerade mal um 21 Cent zu. Diese magere Entwicklung konnte am Ende nur durch die fette Dividende ausgeglichen werden.

Beim selben Empfang der FDP stellte Florian Toncar immerhin auch klar, dass Herrenberg viel schöner als Berlin ist. Im Grußwort von Tobias Meigel, dem Stellvertreter des Oberbürgermeisters, erkannte er „Schlagkraft und Ambitionen“, für die es in der Bundeshauptstadt keinen Vergleich gebe. „Hier wird was getan, hier möchte man sich weiterentwickeln und die Weichen für die Zukunft stellen“, lobte der nach einer Legislaturperiode wieder ins Parlament gewählte Böblinger Bundestagsabgeordnete die weitsichtige Kommunalpolitik – und ergänzte: „Dahin muss Berlin erst einmal kommen.“

Die Schäfchen wappnen

Überhaupt laufen die Kommunen im Kreis dem Regierungssitz in diesem neuen Jahr den Rang ab. Gärtringens Bürgermeister borgte sich bei seinem Empfang von 2018 Worte von Berlins früherem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) aus: „Da Gärtringen zwar sexy, aber arm ist, wollen wir starke und leistungsfähige Unternehmen anziehen“, sagte Thomas Riesch ganz im Sinn der FDP.

In Holzgerlingen orientierte sich der Amtsinhaber in spe gleich an Angela Merkel. Ihm liege am Herzen, dass die Holzgerlinger „in diesem Jahr noch ein Stückchen mehr zusammenrücken“, redet er wie die Bundeskanzlerin, wenn sie über die Eurozone spricht. Ioannis Delakos erhofft sich davon, die Stadt „noch liebenswerter zu machen“. Aber wer die Bibel und die Absatzzahlen von Daimler liest, weiß, dass er damit seine Schäfchen nur wie Josef schonend für kommende Katastrophen wappnen wollte.