Aufgelesen im Kreis: Süßes und Saures. Diese Woche halten sich nur die Deckenpfronner Narren an die Öffnungszeiten. In Weil der Stadt gibt es bereits Stress-Management.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Sindelfingen - Daimler hat rechtzeitig das Feld geräumt. Am Freitag ist das Forschungsfahrzeug F015 aus dem Sindelfinger Rathaus geschoben worden. Die Zukunft der Mobilität ist momentan nämlich mehr Schein als Sein: Die Karre im One-Box-Design sieht zwar cool aus, ist innen aber mehr oder weniger hohl. Dieses Phänomen wird ja gerne Blondinen unterstellt, kommt allerdings gleichermaßen in der Automobilindustrie vor. Dennoch war Daimler schlau genug, seine antriebslose Schönheit in Sicherheit zu bringen, bevor sie an Fasching von irgendwelchen Narren unangemessen am Heck angetatscht wird, wie dies bei Blondinen zuweilen der Fall ist.

 

Bernd Vöhringer ist aufgeregt

In Sindelfingen steht am Donnerstag um 17 Uhr der „Kampf um das Rathaus“ an, wird überall in der Stadt plakatiert. Der Ausgang der Schlacht steht auch in diesem Fall schon fest: Nach dem Sturm der Karnevalsgesellschaft Blau-Weiss auf die Behörde gibt es eine „Sause“ im Foyer, der der F015 nur im Weg stünde. Dieses Jahr ist sogar mit einer ganz besonders heißen Party zu rechnen. Von Bernd Vöhringer wird jedenfalls berichtet, dass er schon ganz aufgeregt sei. Der Oberbürgermeister wird zu diesem Anlass immer von seinen Mitarbeitern verkleidet – und das dürfte beim diesjährigen Motto in der Tat aufregend werden: Es lautet Badezentrum.

Denn diese Woche hat die Verwaltung den Bürgern die drei Varianten für die Zukunft des Badezentrums vorgestellt. Sauna schließen, Sauna und Familienbereich selbst ausbauen oder mit einem Investor eine Public-private-Partnership eingehen. „Nach Ansicht der Gutachter bietet der Standort Sindelfingen die Voraussetzungen für die erfolgreiche Realisierung eines solchen Modells“, heißt es von Seiten der Stadt zur dritten Vorgehensweise. Man kann Bernd Vöhringer also nur die Daumen drücken, dass er in seinem Kostüm nicht baden geht. Schließlich gibt es ein berühmtes Vorbild. Dem Mann haben die Untergebenen ebenfalls die Garderobe ausgesucht. Die Gewänder seien nicht gewöhnlich, sondern könnten nur von Personen gesehen werden, die ihres Amts würdig und nicht dumm seien, versprachen sie ihm. Weil er genau Letzteres nicht sein wollte, gab der Alleinherrscher nicht zu, dass auch er die Kleider nicht sehen konnte. Und sein Hofstaat hätte sowieso nie gewagt, den Mund aufzumachen. Bei einem Umzug ähnlich wie zu Fasching sprach endlich ein Kind die Wahrheit aus: „Der Kaiser ist nackt!“

Am Ende sind die Narren geschafft

In Deckenpfronn haben die Narren bessere Umgangsformen. Dort darf der Bürgermeister am schmotzigen Donnerstag in aller Ruhe bis 18 Uhr arbeiten. Anschließend „bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich zu fügen“ und den Schlüssel zum Rathaus zu übergeben, schreibt die Zunft. Mit Sicherheit wird um die Uhrzeit Daniel Gött auf weiter Flur der einzige sein, der sich noch in dem Haus befindet. Widerstand wäre in der Tat zwecklos. Die kleinste Gemeinde im Landkreis ist schließlich der größte Fasnetsfeierer. Am Donnerstagabend wird in der Gemeindehalle getanzt, am Freitag sind die Kinder dran, am Samstag ziehen 65 Gruppen durch das Dorf und anschließend steigt die Mega-Fasnet. Und am Dienstagabend wird alles verbrannt. „Danach sind wir dann auch geschafft“, erklärt der Zunftmeister.

Bislang hat nur Weil der Stadt die Tragweite dieser ganzen Angriffe auf die Rathäuser erkannt. Die Verwaltung hat einen Sozialtherapeuten engagiert, der für alle Mitarbeiter Merkmale möglicher Stressbelastung erhoben hat. Dazu zählen Krankheitstage, Unfallhäufigkeiten, Mobbingfälle und Überzeitenkonten. Er trägt den Titel Balance-Lotse und soll für Prävention sorgen, zunächst aber nur beim Führungspersonal. Die Chefs haben zurzeit auch den meisten Stress, wie an den Beispielen Bernd Vöhringer und Daniel Gött wirklich leicht zu erkennen ist.