Im Bundesstaat Minnesota erlebt Marie (16) gerade, wie die Amerikaner den verrückten Wahlkrimi verdauen und gegen die ständig steigenden Coronazahlen kämpfen. Die Schülerin verbringt ein Highschool-Jahr in Maple Grove – und das läuft nun doch etwas anders ab, als sie es sich vorgestellt hat.

Nachrichtenzentrale: Nadia Köhler (nl)

Maple Grove - Fast wäre Maries Traum nicht Erfüllung gegangen. Ihr Highschool-Jahr in den USA stand wegen der Coronapandemie lange auf der Kippe. Doch Ende August konnte die 16-jährige Schülerin aus Neuenstadt am Kocher (Landkreis Heilbronn) dann doch noch zu ihrer Gastfamilie fliegen. Nun lebt sie bis zum nächsten Sommer in Maple Grove im Bundesstaat Minnesota. Im Gespräch mit Nadia Köhler erzählt Marie, wie sie Amerika in diesen turbulenten Zeiten erlebt.

 

Marie, die meisten Jugendlichen haben ihre Pläne für ein Highschool-Jahr 2020/21 in den USA begraben. Du bist trotz der Coronapandemie geflogen. War das eine gute Entscheidung?

Ja! Wenn ich könnte, würde ich sogar noch ein Jahr länger hierbleiben.

Was gefällt dir so gut?

Die Schule! Die gefällt mir viel besser als Zuhause. Nur leider ist jetzt nach acht Wochen erst einmal mein letzter Tag an der Schule. Ab morgen müssen wir auf Online-Unterricht umstellen, weil die Coronazahlen so stark ansteigen.

Wie lief denn der Unterricht bisher an deiner Highschool ab?

Wir hatten Einzeltische, die weit auseinander standen und wir mussten die ganze Zeit Masken tragen. Alle Schüler wurden in zwei Gruppen aufgeteilt. Die Schüler der Gruppe A waren montags und mittwochs in der Schule und die der Gruppe B dienstags und donnerstags. Freitags habe alle Homeschooling gemacht. Für mich war es so ein bisschen schwer, die anderen kennenzulernen, weil ich ja nur zwei Tage in der Woche an der Schule war.

Wie lange müsst ihr ins Homeschooling?

Wir wissen es nicht. Wir haben etwas Hoffnung, dass es Ende Januar vorbei sein könnte.

Das klingt aber überhaupt nicht nach dem Highschool-Leben, das du dir wahrscheinlich vorgestellt hast!

Ja, stimmt. Aber ich bin trotzdem froh, dass ich hierher gegangen bin. Die Chance an eine amerikanische Highschool zu gehen, hat man nur einmal im Leben. Und ich hätte das Jahr auch schlecht verschieben können, weil es für mich in Deutschland nach der zehnten Klasse mit der Kursstufe weitergeht.

Alle deutschen Austauschschüler freuen sich immer besonders auf die vielen Aktivitäten, die an amerikanischen Highschools angeboten werden. Gibt es die jetzt überhaupt?

Football hat am Anfang gar nicht stattgefunden, nur Fußball. Ich selbst bin im Moment noch in keinem Team. Die meisten Teams haben schon Mitte August angefangen zu trainieren und da konnte ich ja leider noch nicht hierher fliegen. Und jetzt hat es in Minnesota schon geschneit, da können draußen gar nicht mehr so viele Aktivitäten angeboten werden. Ich hoffe, dass ich im Frühjahr vielleicht ins Volleyball- oder Softball-Team einsteigen kann.

Gibt es bei dir einen richtigen Lockdown?

Nein, bisher waren die Zahlen hier auch nicht so hoch. An meiner Schule gab es nur einen Coronafall, aber jetzt hört man von immer mehr Familien, die in Quarantäne müssen. Die Läden bleiben offen, es gilt aber Maskenpflicht. Und in Restaurants geht man hier eh nicht, man bestellt sich Essen nach Hause.

Das heißt, du verbringst jetzt sehr viel Zeit mit deiner Gastfamilie und hast kaum andere Kontakte?

Ja, aber meine Gasteltern und meine beiden Gastschwestern sind zum Glück superlieb! Wir machen wirklich ziemlich viel Quatsch, mit meinen Schwestern habe ich eine kleine Band gegründet. Und ich freue mich jetzt darauf, mit meiner Familie Thanksgiving erleben zu dürfen.

Bist du enttäuscht, dass das Jahr nun anders abläuft, als du dir das vorgestellt hast?

Ich habe mit gar nicht so viel vorgestellt, weil ich noch nie in den USA war. Aber ich finde es wirklich total schön hier!

Was war das Erste, was dir in den USA aufgefallen ist?

Hier ist einfach alles viel, viel, viel größer – die Stadt, die Essenportionen, die Läden und die Entfernungen. Hier kann man nicht einfach in den Bus steigen und kommt in zwei Minuten irgendwo an. Zum nächsten Supermarkt fahren wir zehn Minuten mit dem Auto und zur Schule eine gute halbe Stunde. Und das Essen ist viel ungesünder. Meine Gastfamilie ist kein Fan von Gemüse . . .

Lass uns noch kurz über Politik reden. Wie hast du die Wahl erlebt?

In meiner Gastfamilie reden wir nicht über Politik. Aber trotzdem war die Wahl hier überall ein großes Thema – auch in der Schule. Da wusste man schon ganz genau, wer auf welcher Seite steht, manche hatten sogar Trump-Masken auf.

Joe Biden hat in Minnesota ziemlich deutlich gewonnen. Sind die Menschen bei dir auch jubelnd auf die Straße gegangen?

Nein. Als das Ergebnis feststand habe ich hier komischerweise nur ein paar hupende Autos gesehen, die mit Trump-Fahnen vorbeigefahren sind.

Erlebst du Amerika als gespaltenes Land?

Nein. Manche sagen schon, dass alles geschwindelt ist und Biden nicht gewonnen hat. Aber die meisten hier sagen: Es ist jetzt gut so, wie es ist, fertig, Ende, aus!