Der Boss im Hause unserer Autorin ist ein vierjähriger roter Kater. Wenn der auf Abwegen ist, wird die ganze Familie hochnervös. Mit der Urlaubsentspannung ist es dann vorbei.
Kennen Sie den Spruch „Das letzte Kind trägt Fell“? Mein Jüngster ist vier Jahre alt und ein orangeroter Kater mit vier weißen Stiefelchen. Stellen Sie sich „Puss in Boots“, den gestiefelten Kater aus den Shrek-Filmen, vor und Sie sind ziemlich nah dran. Und ja, er kann genauso herzerweichend gucken, wenn er vor dem leeren Fressnapf steht.
Dieser Kater hat uns alle in der Hand, oder vielmehr in der Pfote. Wenn er morgens um halb sechs durch seine Katzenklappe stolziert, könnte man denken, der chefigste Obergaucho eines Wild-West-Städtchens cowboystiefelt durch die Saloontür. Begleitet wird sein Eintreffen von lautem, anhaltendem Miauen, um uns mitzuteilen, dass der Boss a) zu Hause ist und b) ein Hüngerchen verspürt. Mein Mann stellt sich schlafend und stur („Er muss sich das abgewöhnen“), doch der Kater gibt so lang keine Ruhe, bis eine der Frauen im Haus – entweder eine meiner beiden Töchter oder ich – sich erbarmt, aus dem Bett steigt und den Napf füllt. Ist das Frühstück verputzt, geht’s für den Boss auf die Couch. Zum Chillen.
Futterautomat mit App-Steuerung
In den Pfingstferien blieb der Kater für eine Woche allein zu Hause. Vorab hatten wir uns minutiös vorbereitet: Im Internet bestellten wir einen Futterautomaten, damit der feine Herr in unserer Abwesenheit zuverlässig mit Trockenfutter-Böbbeln versorgt wäre. Es kam ein tolles Ding in Cremeweiß mit App-Steuerung, nur die Kamerafunktion sparten wir uns. Dafür hätten wir aber eine Nachricht für den Kater aufnehmen können, die immer dann abgespielt worden wäre, wenn die Böbbel in die Schüssel purzelten: „Bubiiiii, Fresschen!“ oder so was. Auch darauf verzichteten wir.
Wir stellten den Fressautomaten scharf, baten eine Freundin, einmal am Tag nach dem Kater zu schauen und ihn zusätzlich zu den Böbbeln mit Nassfutter und Wasser zu versorgen, und machten uns auf in Richtung Bayerische Alpen. An Tag drei unseres Urlaubs rief meine Freundin an: Die Schüssel des Fressautomaten liefe über, der Kater sei mehrere Tage nicht nach Hause gekommen. Helle Aufregung – zumindest bei den Kindern und mir, der Mann zuckte mit den Schultern und sagte: „Der kommt schon wieder.“ In meinem Kopf spielte sich indes ein Horrorszenario nach dem anderen ab: Der Kater angefahren im Straßengraben. Eingesperrt in der Garage der Nachbarn. Mitgenommen von einem Unhold, der ihn an den Meistbietenden auf Ebay verkauft. Ich setzte mir Ultimaten, nach deren Verstreichen ich den Urlaub abbrechen, mich in einen Zug setzen und gen Stuttgart fahren würde, um gellend pfeifend und rufend durch die Nachbarschaft zu streifen und jeden Laternenpfahl und jeden Baum im 15-Kilometer-Radius mit Suchplakaten vollzupappen.
Dazu kam es zum Glück nicht. An Tag fünf kam der erlösende Anruf: „Er ist wieder da.“ Augenscheinlich unversehrt und gänzlich ungerührt saß der Kater auf dem Sofa, als wäre er nie weg gewesen. Meine Freundin schickte mir ein Beweisvideo, in dem er sich aufreizend gelassen die weißen Pfötchen putzt. Wo er gewesen war? Darüber kein Wort. Vermutlich scharwenzeln. Betrachten wir’s mal aus der Sicht des Katers: Warum sollte der Boss daheim sein, wenn sein Personal im Urlaub ist?
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Theresa Schäfer (42) ist Mutter von Zwillingen - und Redakteurin im Nebenberuf. Der geballten Power von zwei Elfjährigen steht sie manchmal völlig geplättet gegenüber.