Kriege, Wahlergebnisse, böse Menschen – manchmal will sich unsere Kolumnistin einfach nur aufs Sofa legen und an der Welt leiden. Aber dann kommen halt zwei Kinder aus der Schule heim. So ein Glück!

Familie/Bildung/Soziales: Lisa Welzhofer (wel)

An manchen Tagen macht es einem die Welt besonders schwer, sie gern zu haben. Am Sonntag war so ein Tag. Im Osten bahnte sich der dritte Wahnsinnswahlsieg dieser extremen Partei an. In der Nacht zuvor hatten sich Israelis und Hisbollah besonders schlimm beschossen. Und überall war von einem Mann zu lesen, der seine Frau jahrelang betäubte und anderen Männern zum Sex anbot. Am Sonntag hätte ich mich gern auf dem Sofa abgelegt. Allein. Ohne zu reden. Ein bisschen in Weltschmerz baden halt.

 

Dabei war schon klar, dass daraus nichts wird. Der Mann musste arbeiten. Die Kinder barsten vor Energie. Außerdem warteten Schulhefte auf ihre Beschriftung, Grüngut auf seine Bündelung, Wäschegebirge auf ihre Waschung, also eben all jenes auf seine Erledigung, was unter der Woche liegen bleibt. Und überhaupt: Was gibt es eigentlich zum Mittagessen?

Aus ihren Mündern fallen all die Erlebnisse des Tages

Im Leben mit (kleinen) Kindern ist nie Ruhe – und das ist gleichzeitig die nervigste und tollste Sache daran. Nervig, wenn man sich in Ruhe mit etwas beschäftigen will und muss. Aber eben auch toll, wenn man sich zu viel mit etwas beschäftigen will und muss.

Wie oft fährt man von der Arbeit zurück, den Kopf voller Schnipsel aus überflüssigen Besprechungen und Groll auf einen Arbeitgeber, der nicht mehr Gehalt zahlen will? Aber dann trudeln zwei Kinder aus der Schule ein. Die Mägen sind leer, dafür purzeln aus ihren Mündern all die heiteren und beschwerlichen Ereignisse des Tages. Und außerdem muss ja noch dringend ein Freundschaftsarmband geknüpft, Fußballkarten gekauft, Skateboard gefahren werden.

Ich zeigte den MC-Hammer-Move

Unvergessen zum Beispiel der Nachmittag vor ein paar Jahren, an dem ich grummelnd (warum hab ich wiederum vergessen) nach Hause kam, der Sohn die Fredrik-Vahle-Kinderlieder-CD auflegte und sagte, dass er jetzt mit uns tanzen wolle. Und das taten wir dann auch. Wir drehten Pirouetten, hüpften im Kreis, schlugen Purzelbäume (also die Kinder) und ich zeigte den MC-Hammer-Move, den ich zuletzt beim Rap-Wettbewerb in der Skifreizeit 7. Klasse dargeboten hatte. Wir stampften wie Elefanten und watschelten wie Pinguine über jede Miesepeterigkeit hinweg.

Vielleicht ist es ja so, dass die Banalität des Alltags mit den Kleinen erst die ganze Banalität des Großen und Ganzen freilegt. Schönes und Blödes kann gleichzeitig passieren, so ist diese Welt. Und das ist vielleicht gar nicht so schlimm.

Auch am vergangenen Sonntag war das so. Nach dem Mittagessen fuhren wir aus der Stadt hinaus in den Frühherbst, der wie eine Flauschedecke über den Streuobstwiesen und Weinhängen des Remstals lag. Freunde hatten zur jährlichen Kartoffelernte auf ihrem Äckerle eingeladen. Und während wir bullerbühaft in der Erde nach den Knollen wühlten, sich die Kinder über jede Linda und Violetta wie Bolle freuten, stolz auf dem Traktor mitfuhren und wir dann erschöpft bei Würschtle und Kartoffelsalat zusammensaßen, war klar, dass die Welt uns jetzt gerade mal ziemlich gern haben konnte.

>> Keinen Familien-Newsletter mehr verpassen – hier geht es zur Anmeldung

Lisa Welzhofer hat zwei Kinder (7 und 10 Jahre alt) und ist jeden Tag baff, wie großzügig die beiden über ihre Fehler als Mutter hinwegsehen.