Unsere Autorin lebt mit zwei Meerschweinchen zusammen – dank der Hartnäckigkeit ihrer Tochter. Dass sie die zwei Nager mal ins Herz schließen könnte, hätte sie anfangs auch nicht gedacht.

Das Geräusch ist eine Mischung aus Quieken, Niesen und Rülpsen und scheint tief aus der Kehle des kleinen Kerlchens zu kommen. Als ich es zum ersten Mal gehört habe, bin ich richtig erschrocken. Muss ich Filou jetzt zum Tierarzt bringen? Droht er vielleicht sogar zu ersticken? Ist es etwa jetzt vorbei mit seinem eh schon recht kurzen Leben?

 

„Er hat einfach zu schnell, zu viel gefressen“, klärt mich meine Tochter auf. Die Elfjährige ist Meerschweinchen-Expertin. Freilich nicht von Geburt an. Sie hat sich schlau gemacht, hat viel über die Fluchttiere, deren Vorfahren ursprünglich aus den Hochebenen der Anden kommen, gelesen und kennt sämtliche Sendungen, die es dazu im Netz zu finden gibt. Sie hat unzählige, superniedliche Fotos heruntergeladen und uns zugeschickt. Nur um ihre Eltern davon zu überzeugen, dass sie zwingend Meerschweinchen als Haustiere braucht.

Zuerst habe ich nicht nur Nein, sondern „auf gar keinen Fall!“ gesagt. Ich hätte mir eine Katze oder Kater vorstellen können, aber doch bitteschön keine Meerschweinchen. Und doch sitzen sie jetzt hier: Filou, ein schwarzer – ursprünglich viel zu dünner – Glatthaar-Kastrat und Puzzle, eine braun-gold-gewirbelte Rosetten-Dame. In einem offenen Gehege aus Holz und Plexiglas. Mitten in unserem Wohnzimmer.

Norbert? Was ist denn das für ein Meerschweinchen-Name?

Er heißt eigentlich Norbert Filou, aber ich finde den Namen Norbert so unpassend für ein Tier, dass ich mich schlichtweg weigere, ihn so zu nennen. Sie ist deutlich älter als er. Am Anfang ist Puzzle wie eine Königin durch ihr Reich spaziert, der Jüngere ist ihr ausgewichen, hat sich viel verkrochen. Mittlerweile hat auch Filou sich seinen Platz im Gehege erobert. Mit viel Knurren und Zähneklappern. Und nach Unmengen verputzter Gurken- und Paprikaschnipsel. Der kleine Schwarze, wie ich ihn auch manchmal nenne, mag übrigens auch Tannennadeln super gerne. Warum auch immer. Die Äste nagt er ab, bis keine einzige grüne Spitze mehr übrig ist. Mittlerweile wiegt Filou im Übrigen auch genauso viel wie seine Gehege-Partnerin.

Wie es dazu kommen konnte, dass ich mein Wohnzimmer mit zwei Tieren teile, die entweder fressen oder dösen und sich nicht einmal richtig streicheln lassen? Diese Frage stelle ich mir immer wieder. Die Antwort lautet: Wegen der Beharrlichkeit und Hartnäckigkeit meiner Tochter.

Zur Probe haben wir die beiden Nager aus einem Tierschutzprojekt geholt. Nach einigen Wochen konnte auch ich nicht mehr Nein sagen. Aus Liebe zu meiner Tochter habe ich es nicht übers Herz gebracht, sie zurückzubringen. Vielleicht auch deshalb, weil ich die beiden lieb gewonnen habe – zumindest ein kleines bisschen.

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Natalie Kanter (48 Jahre) ist Redakteurin dieser Zeitung und Mutter eines Mädchen, das mittlerweile fast so groß ist wie sie selbst und es dennoch immer wieder schafft, den Alltag ihrer Eltern grundlegend auf den Kopf zu stellen.