Schon klar. Kinder sind sehr selektiv in ihrer Wahrnehmung. Fantastisch aber, welche Ergebnisse sie bei den Worten erzielen, die sie nicht hätten hören sollen.

Es gibt sie, diese Tage, an denen jeder im Stadtteil weiß, wie das Kind mit dem Vornamen heißt und dass es bitte aufhören soll, den Hund mit dem Filzstift anzumalen. Wie alle einigermaßen normalen Elternteile, bin ich nicht stolz darauf, dass ich manchmal an die Decke gehe wie ein Vollidiot. Da werde ich laut und wiederhole mich, als ob es je auf die Lautstärke ankommen würde. Mich beeindruckt allerdings viel mehr, wie wenig das Kinder beeindruckt.

 

Kinder sind wie Konservative. Man kann ihnen tausend Mal erklären, weshalb es nicht zielführend ist, etwas kaputtzumachen, mit dem man später noch spielen möchte – sie machen es dennoch. Später sind sie dann wahnsinnig wütend auf alle, außer sich selbst. Naja, wenn man sich mal daran gewöhnt hat, dann geht’s eigentlich.

Plötzlich Handwerkerkönig

Während mein Vater jahrelang Witze über meine handwerklichen Defizite gemacht hat, mausere ich mich auf meine „alten Tage“ aber tatsächlich noch zur Reparaturwerkstatt. Sekundenkleber, Gaffaband, Tesa, Feinmechanik und etwas Geschick – stets zu Diensten. Manchmal möchte ich fast meinem Vater anrufen und ihm erzählen, was ich heute schon wieder alles repariert habe. Mache ich natürlich nicht, denn wahrscheinlich würde er fragen, ob ich mich dabei verletzt hätte. Habe aber eh keine Zeit, denn man könnte rund um die Uhr irgendwas reparieren, was vom Sohn in Mitleidenschaft gezogen wurde. Naja, und zehn Minuten später liegt das mühevoll restaurierte Objekt wieder irgendwo auf dem Fußboden – bereit, abermals kaputtgetreten zu werden.

Aber ich gebe zu, dass es mich ein bisschen mit Genugtuung erfüllt, dass auch Kinder gelegentlich über die von ihnen achtlos in der Wohnung abgelegten Gegenstände stolpern oder in Socken auf Lego-Zeug treten. Nur eines ist klar: lachen darf ich in solchen Momenten nicht. Niemand mag Häme. Also mahne ich wieder und wieder und spreche weise Worte wie „Achtung! Lass das lieber nicht auf dem Boden liegen, sonst trittst du drauf und dann isses wieder kaputt.“

„Was habe ich eben gesagt?“

Doch Kinder sind sehr selektiv in ihrer Wahrnehmung. Ich kann zum Beispiel ungefähr 437 „Wer-Wie-Was-Warum“-Fragen nach bestem Wissen und Gewissen beantworten. Beim Kind bleibt nur meine Antwort auf Nummer 438 hängen. Ich war leicht ausgebrannt und beantwortete die Frage, wie denn die ekelige Soße auf dem Igitt-Gemüse heiße, mit: „Bernd!“. Hat er sich gemerkt. All die anderen weisen Worte – zerstreut von Wind und Kind. Manchmal entblöde ich mich nicht, zu fragen: „Was habe ich eben gesagt?“ Kind zuckt dann mit den Schultern.

Und dann gibt’s die Momente, in denen einfach alles läuft. Ein Autofahrer, genervt von einer Radfahrerin hupt noch vor 9 Uhr wie ein Verrückter und brüllt aus dem Auto, die ____________ (hier bitte einsetzen: Umgangssprache für anatomisch untenrum bei Frauen) solle sich sofort von der Straße __________ (hier bitte Schmähverb aus dem Sanitärbereich einsetzen).

„Papa, warum hupt der?“, fragt der Sohn. Zwar antwortete ich faktenbasiert und nach bestem Gewissen – doch leider auch impulsgetrieben: „Weil er ein dummes Arschloch ist.“ Kind: „Was ist ein dummes Aslock, Papa?“, Ich: „Sag mal, sollen wir später den Hund anmalen?“

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Michael Setzer ist seit vier Jahren Vater. Früher haben Eltern ihre Kinder vor Leuten wie ihm gewarnt. Niemand hat ihn vor Kindern gewarnt.