Wenn Kinder mitten in der Pubertät sind, lernen Eltern, dass ihre Meinung – und Anwesenheit – immer weniger gefragt ist. Jetzt gehen sie sogar schon alleine in die Berge.
Skifahren spielt in dieser Familie eine nicht ganz unwichtige Rolle. Der Vater steht seit bald 50 Jahren auf den Brettern, die die Welt bedeuten – mit einer 28 Jahre währenden Unterbrechung, während der das präferierte Wintersportgerät auf den Namen Snowboard hörte. Mist, auch das so eine Alterserscheinung, dass man seit nun neun Jahren wieder auf zwei Brettern steht. Irgendwann wurde das häufige Hinsitzen und Wiederaufstehen einfach zu unkomfortabel.
Natürlich sollten die Töchter die Freuden der körperlichen Betätigung im Schnee von Anfang an aktiv erleben. Deshalb stand die heute 15-Jährige schon im Alter von zwei Jahren und acht Monaten auf Skiern. Sie wusste kaum, wie ihr geschah, als sie auf den beiden Brettern, (wie kurz gibt es die eigentlich!?) an den Zauberteppich genannten Kinderliften bei Kempten gaaanz langsam das sehr geringe Gefälle dieses Teils der Piste hinunterglitt. Bei gleißendem Sonnenlicht selbstverständlich mit einer hochgradig UV-Licht filternden Skibrille bestückt, fuhr sie scheinbar willenlos hinab, bis sie stehen blieb – oder aufgefangen wurde.
Das Ziel: Jeden Berg bei jeden Schneeverhältnissen bewältigen
Der Skikurs an den Schwärzenliften bei Zimi – so hieß der Schneemann mit der grünen Weste, als der sich jeden Tag zum Abschluss einer der jüngeren Skilehrer verkleiden musste –, gehörte für Jahre zum familiären Pflichtprogramm. Schließlich sollten die Kids zügig in den Stand versetzt werden, auch alleine so ziemlich jeden Berg bei jeden Verhältnissen bewältigen zu können.
Man könnte sagen, dass der Plan aufgegangen ist. In den vergangenen 13 Jahren sind die Ansprüche stetig gestiegen und die Herausforderungen entsprechend angepasst worden. Im vergangenen Jahr im Zillertal ging es eine Woche lang fast jeden Tag in ein anderes Skigebiet und „Dad“, wie der Typ seit Jahren nur noch genannt wird, hatte langsam Mühe, der Ausdauer des Nachwuchses noch standzuhalten.
Sieben Lifte und viele Kilometer Piste – raff’ dich, Dad!
Pause? Von Zell bis Königsleiten braucht man mindestens sieben Lifte und viele Kilometer Abfahrten, also bitte raff’ dich, Dad! Schließlich muss man das Ganze am Nachmittag auch wieder zurück. Und am nächsten Tag gleich hoch auf den Hintertuxer Gletscher auf mehr als 3200 Meter über Normalnull. So hat er es ja wollen, der alte Herr, also flugs ins Epizentrum nach Mayrhofen, wo es besonders viele Pisten gibt. Den Autor überkommt regelrechte Begeisterung und – natürlich – Stolz, wenn er darüber sinniert, wie diese Urlaube verlaufen sind. Natürlich spielt auch der Klimawandel inzwischen eine Rolle, nebst Diskussionen darüber, wie sinnhaft das Ganze ist. Trotzdem ist es so schön, dass jeden Winter wieder jede fragt, wann es wieder losgeht.
Im Zweifel geht es das jetzt auch alleine.
Denn in diesem Winter ist das Ausbildungsziel offenbar erreicht. Die 15-Jährige war neulich zum ersten Mal ohne ihren Vater in den Bergen. Die Schülermitverantwortung – SMV – ihrer Schule hatte eine Tagesausfahrt nach Oberstdorf organisiert und plötzlich wollte sie zum ersten Mal mit ihren Freundinnen auf die Piste. Natürlich darf man noch unterstützen, wenn es darum geht, die Skiausrüstung und -bekleidung in diesem Fall für Temperaturen von zehn Grad unter Null und weniger bereit zu stellen. Um 4.30 Uhr aufzustehen, um eine Dreiviertelstunde später am Bus vor der Schule zu stehen, ist auch ok. Bezahlen natürlich ebenso.
Aber der Dad, der merkt in dieser dunklen Nacht am frostigen Parkplatz, nachdem das Equipment ausgeladen ist und die aufgeregten Teenies ihn kaum eines Blickes würdigen, dass er sich in Zukunft wieder verstärkt seiner Altherren-Skifahrgruppe widmen darf.
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Alexander Ikrat hat auf (fast) alle Herausforderungen in der Zeitungsproduktion eine Antwort. In der Beziehung zu seinen beiden Töchtern ist er allerdings nicht mehr gefragt – dank der Pubertät.