Von wegen: Die Kunst liegt brach. Wie in dieser Pandemie mit Kindern umgegangen wird, ist ein riesengroßes Theater. Unser Kolumnist versucht, sich dem Wahnsinn hinzugeben.

Stuttgart - Mit oder ohne Kind. Wenn ich eines im vergangenen Jahr gelernt habe, dann das: Wenn man den Wahnsinn nicht besiegen kann, dann muss man sich der Sache stückweit hingeben, einsteigen und – ab dafür. Oder ganz kitschig: das Beste daraus machen. Ich habe professionelle Hilfe zu Hause, bisschen über zwei Jahre alt und entwaffnend ehrlich ist der Junge auch.

 

Wir brauchen mehr Kunst!

Weil’s zur Zeit eh an Kunst und Kultur mangelt, habe ich jetzt ein Theaterstück geschrieben. Es geht um Wahrheit, Debatte, Schuld und Spaß. Falls hier namhafte Intendanten, jemand von Netflix oder Markus Lanz mitlesen: bin offen für Gespräche. Hier ein Auszug:

Vater: „Sag mal, hast Du eben den Mülleimer auf dem Boden ausgeleert, bist drauf geklettert, um die Filzstifte vom Schreibtisch zu klauen und hast dann die Wand angemalt?“

Kind (zeigt aufgeregt auf die Tür)

Vater: „Okee, ich präzisiere …. und hast dann die Wand UND die Türe angemalt?“

Kind: „Ja!“

Hündin: „Mich fragt ja keiner, aber irgendjemand hat auch ein Feuerwehrauto, einen Playmobil-Polizisten und eine Schaufel auf mir abgelegt, während ich geschlafen habe!“

Kind: „Ja!“

Mutter (aus dem Nebenzimmer): „Wer hat denn den Roller, den Bobbycar, ein Polizeiauto, drei Bagger und eine Socke im Türrahmen geparkt?!“

Kind: „Ja!“

Hündin: „Falls es jemanden interessiert: In der Waschmaschine liegt noch ein Gummistiefel, der andere Bagger, ein Apfel und eine Best-of-CD von den Beatles.“

Kind: „Ja!“ (fängt zu tanzen an)

Die letzte große Erziehungsfrage

Und dann stellt sich später gegen 23.26 Uhr eine der wichtigsten Fragen: „Kann ich jetzt noch das Kind wecken und ihn kurz fragen, wo er denn die Fernbedienung vom Fernseher versteckt hat?“ Niemand sagt „Ja!“, deshalb suche ich selbst und werde kurze Zeit später unter der schlafenden Hündin fündig.

Im Fernsehen sagt eine Frau: „Was inzwischen nicht mehr geht: so zu tun, als hätten Kinder ein magisches Schutzschild. Das hat man ja da ganze letzte Jahr immer wieder gehört: Kinder seien angeblich nicht infektiös. Gestimmt hat das von Anfang an nicht. Es war aber vielleicht komfortabler, daran zu glauben, statt sich den Problemen zu stellen.“

Ich: „Ja!“

Michael Setzer ist seit über zwei Jahren Vater. Früher haben Eltern ihre Kinder vor Leuten wie ihm gewarnt. Niemand hat ihn vor Kindern gewarnt. Er schreibt die „Kindskopf“-Kolumne in der Stuttgarter Zeitung