Die „Corona-Auszeiten“ der Bundesregierung richten sich an Familien mit Kindern. Richtig schwierig ist es aber, Ferienangebote für Kinder mit Behinderung zu finden.

Die Älteren erinnern sich vielleicht. Die Corona-Hochzeit war für Familien besonders belastend: Homeoffice, Homeschooling, Corona-Tests zum Frühstück, keine Fluchtmöglichkeiten – Mamas und Papas waren an der Grenze ihrer Belastbarkeit.

 

Was heißt waren, wenden Sie an der Stelle zurecht ein: Gerade jetzt erwischt es Mamas und Papas en masse. Viele so heftig, dass sie keine zehn Meter am Stück zurücklegen können, weil das Virus sie so sehr im Griff hat. Und schon wieder betätige ich mich als Bote von Carepaketen an all jene, die uns Einkäufe vor die Haustüre gestellt haben, als wir im vergangenen Jahr flach gelegen sind. Wie soll das erst im Herbst und Winter wieder werden?

Keine Betreuung in den Sommerferien

Neben der Pflege unserer Tochter im Alltag – sie hat einen seltenen Gen-Defekt, der ihr die Sprache genommen hat, weshalb sie kaum mehr als ihre Grundbedürfnisse äußern kann – versuchen wir als pflegende Eltern, nicht zu sehr in die Zukunft zu schauen. Am Ende kommt eh wieder alles anders (und schlimmer) als gedacht und befürchtet.

Unsere größte Baustelle derzeit – neben dem Versuch, unterstützte Kommunikation in unseren Alltag zu integrieren, damit unsere Traumtochter mehr als „ja“, „nein“ und „Hunger“ sagen kann – ist es, eine Betreuung für unser Mädchen in den Sommerferien zu finden.

Der Sonderschulkindergarten unserer Kleinen macht im Sommer geschmeidige sechs Wochen zu, wie fast alle Einrichtungen dieser Art. Vor wenigen Monaten sind wir in eine Kleinstadt gezogen, um mehr familiäre Unterstützung bei der Betreuung zu erhalten. Das rächt sich, da wir scheinbar die einzigen Eltern im ganzen Landkreis sind, bei denen auch die Mama (in Teilzeit) arbeitet. Betreuungsangebote für Kinder mit Behinderung unter zwölf wurden hier nicht nachgefragt, heißt es, sodass es nun gar nichts mehr gibt.

Unser Pflegeberater, ohne den wir komplett aufgeschmissen wären, hat uns diverse Tipps gegeben: Die hiesige pädagogische Hochschule anschreiben, die Erzieherinnen und Erzieher unserer Einrichtung direkt ansprechen und, mein Albtraum, über Ebay-Kleinanzeigen eine Anzeige schalten. Bisheriger Rücklauf auf allen Kanälen: nichts. Keiner hat Zeit oder Lust oder den Mut, mit dem liebenswertesten Geschöpf der Welt spazieren zu gehen oder zu spielen.

Kostengünstiger Urlaub für Familien

Statt allzu sehr Selbstmitleid zu versinken, recherchiere ich gerade zum Thema Familienurlaub. Während der Hochphase von Corona kam die Bundesregierung auf die Idee, Familien zu unterstützen, die zwischen Lockdown und geschlossener Betreuungseinrichtung besonders belastet waren. „Corona-Auszeiten“ für Familien würden mit rund 50 Millionen Euro unterstützt, hieß es.

Das Angebot richtete sich an Familien mit kleineren und mittleren Einkommen oder mit Angehörigen mit einer Behinderung und sollte einen kostengünstigen Urlaub ermöglichen. Für den Aufenthalt sollten nur etwa zehn Prozent der Übernachtungs- und Verpflegungskosten gezahlt werden müssen. „Die übrigen rund 90 Prozent werden vom Bund übernommen“, heißt es auf der Website mit dem bescheidenen Namen Bundesregierung.de.

Da ich sicher nicht der einzige Erschöpfte in diesem Land bin, habe ich beim Familienministerium nachgefragt, wie das Angebot angenommen wird. Die Antwort: ziemlich gut. „Aufgrund einer großen Nachfrage sind viele der teilnehmenden Familienerholungseinrichtungen in den Ferienzeiten mittlerweile ausgebucht. Die Anzahl der Einrichtungen und die Kapazitäten wurden seit Beginn der Maßnahme sukzessive erhöht, um noch mehr Familien eine Corona-Auszeit zu ermöglichen“, erklärt eine Sprecherin des Ministeriums.

Meine gewagte Prognose: Erschöpfung verflüchtigt sich nicht zum kalendarischen Jahreswechsel. Das Angebot gilt dennoch nur bis Ende 2022. „Die Maßnahme ‚Corona-Auszeit für Familien – Familienferienzeiten erleichtern’ ist Teil des Aktionsprogramms der Bundesregierung ‚Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche für die Jahre 2021 und 2022’. Die Maßnahme endet am 31.12.2022 und wird nicht verlängert“, erklärt die Sprecherin weiter.

Zuschüsse beantragen

Ein Lichtblick für Familien, die vor dem Zusammenbruch stehen: In einigen Bundesländern können Zuschüsse für die Familienerholung beantragt werden. Informationen zu den Familienferienstätten der Bundesarbeitsgemeinschaft Familienerholung und zu den Zuschüssen der Bundesländer finden sich hier und hier. Wer außerhalb der Ferienzeiten noch in diesem Jahr eine Corona-Auszeit buchen will: Freie Kapazitäten sind auf der Corona-Auszeit-Website eingestellt.

Unser Betreuungsproblem im Sommer ist übrigens noch immer nicht gelöst. Vielleicht findet sich ja eine Leserin oder ein Leser, der Lust hat auf Einblicke in eine Familie mit Kind mit Behinderung in der Provinz? Bewerbungen bitte an die Redaktion des Familiennewsletters.